Keiner schläft, wenn Kalinka die Wände wackeln lässt

Bitburg · Angefangen hat alles einmal mit den berühmten drei Tenören Pavarotti, Domingo, Carreras. Inzwischen sind zwölf nachgewachsen. Die rissen in der Bitburger Stadthalle mit Stimmgewalt und Witz ihr Publikum von den Sitzen

 Jungs mit Schwung und starken Stimmen: die 12 Tenöre in der Bitburger Stadthalle. TV-Foto: Eva-Maria Reuther

Jungs mit Schwung und starken Stimmen: die 12 Tenöre in der Bitburger Stadthalle. TV-Foto: Eva-Maria Reuther

Foto: Eva-Maria Reuther (er) ("TV-Upload Reuther"

Bitburg. "Prachtmänner mit Stimmgewalt", schwärmt ein Berliner Fan in einer Online-Live-Kritik. Was die Hauptstädter wissen, wissen die Bitburger schon lange. Regelrecht von den Sitzen rissen die angereisten "12 Tenöre" ihr begeistertes Publikum beim Konzert in der Stadthalle dort.
Keine Frage: die Jungs im dunklen Anzug und offenem Hemdkragen haben Schwung, und stimmgewaltig sind sie allemal. Zudem verstehen sie sich bestens auf Show, Dramaturgie und Lichtdesign. Das blieb - um es gleich vorab zu sagen - den ganzen Abend Spitze.
Im tiefen Dunkel liegt die Bühne am Anfang, einzige Lichtquelle: drei geheimnisvolle blaue Lichtsäulen. Im Gänsemarsch ziehen zwölf dunkle Gestalten ein. Kraftvoll erklingt Carl Orffs düsteres "O fortuna, velut luna", eine Musik, die über einen herfällt wie die Macht des Schicksals.
Ein Programm für Alt und Jung


Dann wird's hell, und in die Gruppe kommt Bewegung. "La donna è mobile" (auf Frauen istkein Verlass) behaupten die Sänger mit Verdis Opernarie beschwingt, aber nicht weniger schicksalshaft. Als danach "Mein kleiner grüner Kaktus" seine Stacheln ausfährt und "Kalinka" sozusagen die Wände wackeln lässt, hat das Publikum die zwölf singenden Strahlemänner mit und ohne Bart, blond oder dunkelhaarig längst vorbehaltlos ins Herz geschlossen.
Alt und Jung zusammenbringen wollen die Sänger, die aus Musical und Oper kommen und in Deutschland, Großbritannien, Kanada, Australien und Polen beheimatet sind. Bitburg ist ihre 80. Station auf ihrer "Greatest Hits Tour". In Bitburg klappt das mit dem Zusammenkommen bestens. Bunt gemischt geht es in der Stadthalle her, quer durch alle Altersklassen vom Teenie bis zum Best Ager, und sogar ein paar Allerbest-Ager sind dabei.
Perfekt ist der Programmmix. Neben einigen Opernarien, darunter Puccinis Weckruf "Nessun dorma" (Keiner schlafe) aus Turandot, gibt es Popklassiker wie Michael Jackson's "Heal the World", ein James-Bond-Medley und ein 80er Jahre Medley, aber auch Titel der Münchner Freiheit wie "Ohne dich". Elvis Presleys Geist wird beschworen in Marc Cohns "Walking in Memphis". Als Mitmach-Nummer schunkelt das Publikum gemeinsam mit den Sängern Tom Jones' unzuverlässige Delilah musikalisch zu Tode. Und als es schließlich heißt "We will rock you", geht im Saal die Post ab.
Manchmal merkt man den Stimmen an, dass Bitburg schon die achtzigste Tournee-Station ist. Gekonnt ist die Choreografie, bei der die Tenöre als Gruppen oder in Reihen auftreten. Schließlich ist es nicht so einfach, mit zwölf Sängern vor dreiköpfiger Band so auf der Bühne zu manövrieren, dass es weder steif noch chaotisch hergeht. Vor allem aber machen Tempo und Witz den Abend zum Gesang auch noch unterhaltsam.
Humorvoll parodieren die Tenöre, was sonst allzu sehr schmachtet. Alexander Herzog, zu Hause in der Bratwurst- und Lebkuchenstadt Nürnberg, gibt mit Hilfe seiner Leibesfülle eine Art Pausenclown. Als Franke versucht er sich zudem wenig erfolgreich, aber zur Freude und mit engagierter Hilfe seiner Zuhörer an der moselfränkischen Variante des Stadtnamens Bitburg.
"Have a drink" entlassen die Tenöre ihr Publikum in die Pause (anders als in Köln hat in Bitburg niemand Probleme mit der englischen Ansprache.) Und fügen angelsächsisch augenzwinkernd hinzu: "Je mehr Sie trinken, umso besser singen wir."
Wobei es dann sicher doch nicht an den Pausendrinks lag, dass das Publikum bis zum Schluss bestens aufgelegt blieb. Kein Ende wollten Applaus und Zugaben nehmen. Irgendwann hieß es dann doch "Time to say Goodbye".
Etwas spärlich geriet das Winken zum Abschied mit der Taschenlampenfunktion der Handys. Wahrscheinlich hatten die meisten der 350 Zuhörer ihr Gerät im Auto. Dafür winkten Hände und Arme umso herzlicher. Einen Tag später sind die Tenöre wieder in der Region. In der Europahalle in Trier begeistern sie 450 Zuhörer.

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