Vinyl der Woche: Hi Infidelity – REO Speedwagon Fremdgehen im REO-Pick-up

Serie · Stellen Sie sich vor, Sie schreiben einen Song. Erzählen davon, dass Ihre Frau Ihnen fremdgeht. Später heiraten Paare weltweit zu diesem Titel. So ein Quatsch! Kevin Cronin von REO Speedwagon ist das mit Keep On Loving You so passiert. Am Mittwoch wird Cronin 70.

 Hi Infidelity von REO Speedwagon

Hi Infidelity von REO Speedwagon

Foto: Band

Ein Lockenkopf liegt auf einem Sofa. „Das Problem, Herr Doktor, ist“, sagt er gestikulierend, „das neue Album. Ich habe einen Song über eine Frau geschrieben. Ich habe sie mir ausgedacht. Es war nur ein Song, aber ich kann sie nicht vergessen. Immer wenn ich an sie denke, stelle ich sie mir mit anderen Männern vor. Sie macht mich verrückt. Aber sie ist so wundervoll.“

Ein vollumfängliches Herzausschütten in Form eines Musikvideos. Ein Funkeln in den Augen des Lockenkopfes. Des verliebten Kevin Cronin, der damals mit Keep On Loving You seiner Band REO Speedwagon eine persönliche (traurige) Liebesgeschichte verarbeitet. Und am Mittwoch 70 Jahre alt wird.

Keep On Loving You vom Album Hi Infidelity ist eine Schnulze. So süßholzraspelnd, dass sie bis heute auf vielen Hochzeiten gespielt wird. Oder von Paaren als „unser Song“ bezeichnet wird. Alles Unfug! Das sag nicht ich, liebe Leser. Nenene, das ist die Meinung des heutigen Geburtstagskindes höchstpersönlich!

Denn der denkt sich nach eigener Aussage immer, wenn Paare mit einer solch süßen Geschichte rund um den Song an ihn herantreten, ob diese den Text überhaupt gehört haben. Denn als Kevin Cronin den Song schreibt, ist er alles andere als auf Wolke 7. Eher so Wolke -2. Denn er findet heraus, dass ihn seine Frau Denise betrogen hat. Bereits vor der Ehe. Doch er verlässt sie nicht. Bleibt an ihrer Seite. Entscheidet, nie aufzuhören, sie zu lieben. Darüber singt er 1980. 1992 heiratet er seine zweite Frau Lisa. Okay. Er ist ja auch nur ein (Soft-)Rockstar.

Dennoch skurril, dass verliebte Pärchen weltweit sich an diesem Song orientieren. Zugegeben: Hat man sich bei diesem Song erstmals geküsst, dann ist es vielleicht auch etwas komisch danach zu sagen: „Schatz, da geht’s eigentlich ums Fremdgehen!“ – Schlechtes Omen und so. Dann lieber auf Nummer sicher gehen und das Cronin’sche Unverständnis auf sich ziehen.

Auch über den Song hinaus ist vieles an REO Speedwagon weniger poetisch, als man es vermuten mag. Der Bandname? Geklaut von einem Vorläufer des Pick-ups mit der Bezeichnung „Speedwagon“, hergestellt von der Firma REO. Der Albumtitel? Ein schlechter Wortwitz zwischen Hifi (Kurzversion für high fidelity) und „infidelity“ (übersetzt: Untreue). Das Albumcover? Eine Frau, die sich auf zwischenmenschliche Aktivitäten vorbereitet.

In der Kolumne „Vinyl der Woche“ stellt der Trierische Volksfreund wöchentlich eine Schallplatte vor – von Neuerscheinungen, über besondere Alben bis hin zu Klassikern. Alle Serienteile finden Sie hier.

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