Kindergeschichte(n)

Tante Helga ist ganz begeistert von ihren neuen Klappstühlen für den Garten. "Schick und ganz modern", sagt sie stolz zu Onkel Franz.

Der hätte lieber ein bequemes Terrassensofa gehabt. "Kein Mensch hat Lust, auf solchen wackeligen Dingern zu sitzen", nörgelt er. Damit liegt Onkel Franz aber voll daneben. Auf Klappstühlen sitzen seit Jahrtausenden die vornehmsten Herrschaften. Neu sind die zusammenklappbaren Stühle ganz und gar nicht. Schon die römischen Kaiser und ihre hohen Staatsbeamten saßen, wenn sie im Dienst waren, auf prächtig verzierten Klappstühlen. Auch die alten Ägypter und ihre Pharaonen ließen sich gern in ihren Gärten und Palästen auf Klapphockern nieder. Sogar die Sitze von Bischöfen waren früher mal Faltstühle. Die Gestelle der alten Klapp-stühle bestanden aus Holz, die Sitze waren aus Stoff, Leder oder Holzlatten, so wie bei unseren Gartenstühlen. Die ursprünglichen Hocker bekamen später Rücken- und Armlehnen. Die ältesten dieser Klappstühle sind eineinhalb Jahrtausende alt und wurden in Dänemark gefunden. Auch bei normalen Leuten waren in früheren Zeiten Möbel zum Wegklappen sehr beliebt. Allerdings sollten sich nicht nur die Stühle dünn machen, wenn sie nicht gebraucht wurden. Auch Tische sollten lange möglichst beweglich sein. Wenn man einen Tisch zum Essen oder Arbeiten brauchte, stellte man bis vor 800 Jahren zwei Holzböcke auf den Boden und legte eine Holzplatte darauf. War das Essen vorbei und die Arbeit getan, wurde die "Tafel", also die Tischplatte, abgenommen und weggetragen. Daher kommt unsere Redensart "die Tafel aufheben". Das ewige Aus- und Einklappen von Stühlen und Tischen hat viel damit zu tun, dass die Häuser früher anders eingerichtet waren. Ein Raum wurde auf vielerlei Art genutzt, zum Arbeiten, zum Essen, manchmal auch noch zum Schlafen. Da war es wichtig, Möbel zu haben, die nicht dauernd im Weg standen. Zudem mussten sich Tische und Stühle in Zeiten, als es noch kein elek-trisches Licht gab, leicht ans Fenster rücken lassen. Auch da waren leichte Klappmöbel praktisch. Wenn wir heute im Herbst die Gartenstühle zusammengeklappt in den Keller stellen oder für alle Fälle ein paar Klappstühle in der Ecke stehen haben, machen wir es eigentlich genauso wie unsere Vorfahren. Eva-Maria Reuther

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