Klassik Ein Fest der subtilen Zwischentöne

Trier · Die fließende Eleganz und Klarheit des Kit Armstrong:  „Schlussakkord“ beim Mosel-Musikfestival in Trier-St. Maximin.

 Schlussakkord des Mosel Musikfestivals mit Kit Armstrong.

Schlussakkord des Mosel Musikfestivals mit Kit Armstrong.

Foto: Artur Feller

 Ein Behelf? Ganz sicher nicht. Die Besetzung nur für Streicher (Richard Hofmann) nimmt Chopins Klavierkonzert op. 11 nichts von seinen Schönheiten, gibt ihm nur einen anderen Tonfall. Die Klangfarben treten zurück, die Strukturen werden deutlicher. Und wenn Kit Armstrong und das exzellente Ensemble „Resonanz“ in St. Maximin zum „Schlussakkord“ des Mosel-Musikfestivals auf der Bühne stehen, dann offenbart sich gerade im (für Hörer) ungewohnten Streichersatz eine Fülle von Nuancen. Die werden von der Fassung mit Bläsern mehr überspielt als verdeutlicht.

Erstaunlich, welche Zwischentöne in solch einer Besetzung und mit solchen Interpreten hörbar werden. Was Armstrong auf dem Klavier entfaltet, behält eine fließende Eleganz und hat doch Klarheit, Sicherheit  und Bestimmtheit. Sein Stil ist romantisch, aber nicht sentimental. Die gradlinig musizierten Arabesken und Verzierungen im Klaviersatz, die „redenden“ Momente, in denen die Musik immer wieder innehält, sie bleiben frei von Verzärtelung.

Dem Mittelteil im Kopfsatz gibt der Pianist einen ungemein langen Atem mit. Und wenn sich der langsame Mittelsatz zum Finale hin öffnet, dann beschwören Solist und Orchester eine Spannung und Weite, die an Mozart und seine Opernfinali erinnern. In solchen Momenten dringen die Interpreten vor zu den Tiefendimensionen in Chopins Musik. Da wird er zum Nachfahren der Wiener Klassik und der noblen französischen Cembalokunst aus dem 18. Jahrhundert.

Chopins Konzert war ein nachdrück­licher Abschluss und doch mehr: ein Resümee. Eine Zusammenfassung aller Ideen und Assoziationen, die diesen Abend einmalig und unverwechselbar machten.  Wenn Alban Berg „Wein, Weib und Gesang“ von Johann Strauss für Klavierquintett bearbeitet, dann klingen in der Einleitung Beethoven, Schubert und Brahms mit – anspruchsvolle, ernste Musik als Vorspiel zur Wiener Walzerseligkeit.

 Und ist es nicht faszinierend, die Walzer-Bearbeitung von Berg und Schönbergs Version von „Rosen aus dem Süden“  zu vergleichen? Schönberg im Stil entschieden, beinahe kantig, Berg musikalisch mit all der Wärme und Generosität, die ihm die Zeitgenossen auch im persönlichen Umgang attestierten.

Die „Resonanz“-Musikerinnen und -Musiker hatten ein offenes Ohr für solche Feinheiten. Bei den „Stücken für zwei Violinen und Klavier“ von Schostakowitsch demonstrierten beide Geiger und Kit Armstrong am Klavier, dass Walzer nicht nur opulent wienerisch klingen können, sondern auch straffer, konzentrierter und dabei sehr hintergründig.

Dieses Hintergründige schließlich zeichnet auch Mauricio Kagels „Stücke der Windrose“ aus. Der „Osten“  beschwört mit der charakteristischen Kombination von klein besetzten Streichern, Klavier und Klarinette den jüdischen Klezmer. Im „Nordosten“ klingt etwas Südamerikanisches mit, freilich doch verfremdet. All dem gab das „Resonanz“-Ensemble einen starken und konturenreichen Klang mit. Und Armstrong wurde wie selbstverständlich Teil des Ensembles, setzt am Klavier entschieden Schwerpunkte, ohne sich jemals akustisch oder in der Gestik vorzudrängen.

Eins zog sich wie ein Leitmotiv durch den gesamten Abend. Die Komponisten hatten auf platte Zitate verzichtet.  Aber sie ließen fremde Stile so anklingen, dass sie vom Publikum erkannt werden konnten und appellierten damit an die musikalische Unterscheidungsfähigkeit der rund 500 Zuhörer. Am starken Schlussbeifall zeigte sich: dieser Appell ist angekommen.

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