Klassischer Verdi ganz verjazzt: Dieter Ilg Trio spielt in Trier

Trier · Ein Erlebnis der Extraklasse hat das Jazztrio des Bassisten Dieter Ilg im Kurfürstlichen Palais geboten. Beim vom Jazzclub EuroCore veranstalteten Konzert stellten Ilg, Rainer Böhm und Patrice Héral mit "Otello" eine hervorragende Übersetzung von Motiven aus Verdis gleichnamiger Oper vor.

 Dieter Ilg im Kurfürstlichen Palais. TV-Foto: Anke Emmerling

Dieter Ilg im Kurfürstlichen Palais. TV-Foto: Anke Emmerling

Dass dieser Jazz-Abend im Kurfürstlichen Palais hohe Erwartungen bedienen würde, war zu erwarten. Schließlich ist Bassist Dieter Ilg einer der ganz Großen am deutschen Jazzhimmel. Und Lorbeeren für sein Projekt Otello, die Bearbeitung von Motiven aus der gleichnamigen Verdi-Oper, hat er schon einige geerntet, ganz aktuell den Jazz-Echo-Preis 2011.

Was er und seine Partner Rainer Böhm am Piano und Patrice Héral an Schlaginstrumenten dann aber tatsächlich auf der Bühne bieten, geht weit über Vorstellungen hinaus, gerät zu einem geradezu berauschenden, kraftvollen Live-Erlebnis. Da spinnen sich klassische Motive aus Verdis Oper mit vertrauten Mustern des Jazz und experimentellen Strängen zu einem Faden, von dem man sich nur allzu gerne fesseln lässt. Wunderschöne, sanft hingetupfte Balladen laden zum Träumen ein, beispielsweise "Quando narravi", die Übersetzung eines gesungenen Liebesduetts zwischen Otello und Desdemona. Sensibel werden hier Arien-Struktur und melodiöse Grundharmonien erhalten, der intimen inhaltlichen Aussage aber allein mit den warmen Klangfarben von Piano und einem bis ins Bauchfell vibrierenden Bass Seele eingehaucht. Alle Glieder in Bewegung bringen hingegen spektakulär dynamische Stücke wie "Jago" oder "Otello". Ihr Stoff, die Leidenschaft getriebener, widersprüchlicher Charaktere zweier Gegenspieler, hat mit seiner Reibungsenergie die Kreativität des Trios offensichtlich zu Höchstform beflügelt. Ilg leitet beide mit fulminanten Bass-Soli ein. Danach bauen raffinierte Wechsel oder Brüche pulsierender, funkiger bis groovender Rhythmen sowie experimentelle Klangcollagen mit Rap-Einlagen elektrisierende Spannung auf.

In dieser ganz modernen Sprache wird Verdis "Jago" hervorragend als aggressiver und dennoch verführerischer Intrigant greifbar. Ebenso plastisch das Porträt von "Otello", auf dessen Herkunft mitreißende afrikanische Rhythmen verweisen. Bestechend ist zudem das feinfühlige, organische Zusammenwirken des Trios, in dem sich kongeniale Partner gefunden haben. Ilg fasziniert als Kopf und mit seiner brillanten Spieltechnik.

Der junge Pianist Böhm verbindet Jazz und Klassik mit größter Sensibilität. Drummer, Perkussionist und Vokalist Hèral begeistert mit überbordender Fantasie, sowohl bei der Erzeugung experimenteller Geräusche wie auch bei der Umsetzung von "Standard"-Rhythmen. Der Abend endet mit zwei Zugaben, eine davon Charlie Mariano, Ilgs langjährigem Partner gewidmet. Prädikat: grandios. ae

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