Kleine Geste - Große Komödie

Die im Open-air-Falle obligate Wettermeldung vornweg: Für die erste Premiere der Burgfestspiele haben die Gewitter einen Bogen um Mayen gemacht. Carl Zuckmayers deutsches Märchen "Der Hauptmann von Köpenick" ging in der Inszenierung von Frank Alva Buecheler ungestört und lebhaft beklatscht über die Hofbühne der Genovevaburg.

 Intendant Peter Nüesch als Hauptmann von Köpenick im Vordergrund. Foto: Kevin Rühle

Intendant Peter Nüesch als Hauptmann von Köpenick im Vordergrund. Foto: Kevin Rühle

Mayen. Die Aufführung war mit Spannung erwartet worden: Sie würde die erste ernste Bewährungsprobe für die neue Leitung der Festspiele sein. Obendrein würde Intendant Peter Nüesch in der Titelrolle sein Mayener Debüt als Schauspieler abliefern. Und wie ist er, der neue? Gut ist er, der Mann kann wirklich spielen. Kann mit kleinem ironischem Gestus große Komödie machen, kann einen Charakter zwischen depressivem Zusammenbruch und zornigem Aufbegehren in der Schwebe halten. Derart gibt Nüesch der Figur des Schusters Voigt, was sie braucht: Trittsicherheit in einem Stück, das von der unaufgelösten Spannung zwischen Lachen, Weinen und Empörung lebt.Damit steht der Schweizer als Schauspieler für das, was Mayens Oberbürgermeister Günter Laux bei der Begrüßung als Wille zur Fortsetzung einer Tradition des anspruchsvollen Theaters bezeichnete. Ein guter Vorsatz für die Burgfestspiele, die seit zwei Jahrzehnten mit zuletzt rund 30 000 Besuchern je Saison das publikumsstärkste Sommerfestival im nördlichen Rheinland-Pfalz sind.Ob die Öffnung der unter Jochen Heyse noch unverwechselbar dem Schauspiel hingegebenen Festspiele für Musicals durch Pavel Fieber zu diesem Vorsatz passt, darf als strittig gelten. Dennoch setzt auch Nüesch auf starke Musical-Elemente im Programm: In diesem Sommer bringt er "Die Comedian Harmonists" auf die Bühne (ab 13. Juli), 2008 dann "My Fair Lady".Der Mann kann spielen. Wie er in Zuckmayers Stück zugleich wütend und verzweifelt sein gescheitertes Leben als Anklage gegen selbstherrlich-dumpfbackene Preußen-Bürokratie bilanziert, ist ein Glanzmoment. Ähnlich hinreißend die Schlussszene, weil durch Sparsamkeit der Mittel und Reduktion auf den menschlichen Ausdruck fabelhaft verdichtet. Voigt sieht sich erstmals als hochstaplerischen Hauptmann verkleidet im Spiegel: Und ganz langsam verändert sich sein Gesichtsausdruck von tiefem Ernst zum Staunen; von dort zu einem Stadium, das lange Weinen wie auch Schmunzeln bedeuten kann. Endlich schüttelt sich der falsche Hauptmann vor Lachen - über die Blödheit und Verblendung einer Gesellschaft, deren "Größe" sich im Fetisch des äußeren Scheins erschöpft.Das sind starke Theater-Momente, die jedoch an einem Schauspieler hängen. Die Fallhöhe zum übrigen Ensemble und Spiel ist beträchtlich. Dass es außer Voigt/Nüesch keinen weiteren Charakter auf der Bühne gibt, sondern nur zu stereotypen Karikaturen aufgebürstete Untertanen- und Schnöseltypen, darf man als Regie-Konzept deuten. Das hätte sogar etwas für sich haben können, wäre aus den mehr als 60 Rollen für elf Mimen nicht ein gar so bemüht alt-berlinerndes Varietee-Brettl geworden: zu dick, zu krass, zu pittoresk und krachledern. Nächste Aufführungen: Karten: 02651/49 49 42

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