Kolumne: Das Gespenst von Wimbledon

Wenn die Tage kürzer und damit die Nächte länger werden, verändert sich auch das Freizeitverhalten der Westeuropäer. Biergärten und Freibäder verwaisen, weil es den durchschnittlichen Fun- und Action-Bürger spätestens mit Halloween nach einer anderen Form der Unterhaltung giert: Winterzeit ist Gruselzeit, und zumindest hier sind wir Deutschen vorzüglich versorgt. Für jeden gibt‘s was: Neueinsteiger und Warmduscher der Bibberszene geben sich mit Gänseblümchen-Horror à la Harry Potter zufrieden, während sich die hartgesottenen Panik-Cracks der jüngeren Generation für den ultimativen Schock ihren Rentenanspruch ausrechnen lassen.Wer sich aber mit einem echten Geist auseinandersetzen will, dem sei das neue Buch von Boris Becker empfohlen! In seiner Paraderolle als das "Gespenst von Wimbledon" geistert dieser Tennis-Untote derzeit durch diverse Talkshows, um uns sein Machwerk des Schreckens anzupreisen. Warnung: Der Stoff ist nur etwas für starke Nerven! Entsetzlich langweilig bewegt sich die gruselige Lebensbeichte auf dem denkbar grausamsten Niveau gängiger Guckloch-Literatur. Dabei hätte man sich gerade die BummBummgrafie so gerne charmant gewünscht - und bekommt leider nur den genreüblichen Breitwandschocker! Das fängt schon beim Titel an: "Augenblick, verweile doch...", ein Faust-Zitat auf dem Deckel dieser Schmierblattsammlung - der Alptraum eines jeden Deutschlehrers!Warum heißt das Buch nicht "Ääääääh"? Geschrieben in fünf Sätzen, davon jeder von mir aus bis zum Tiebreak mit Überschriften wie "Ich schickte Babs Longline nach Miami" oder "Zwei Kinder - mein Doppelfehler mit Babs". Oder als Kinderbuch: "Das feuerrote Bobbele - und das As im Ärmel". Statt dessen überkommt einen schon beim bloßen Umblättern die Angst vor der nächsten Unsäglichkeit, die dort auf den arglosen Leser lauert. Noch mehr Furcht jedoch flößt der Gedanke ein, dass sich noch mehr dahinwelkende Prominentenmischungen dazu hinreißen lassen könnten, es den Beckers gleichzutun. Stellen Sie sich das vor: Beckenbauers "Doppelbypass" oder Schumis: "Rentefahrer" - schauderhaft, oder? Wer braucht das - außer den echten Gruselfans?

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