Kolumne Pfui Teufel – eine Meinung!

Demokratie ist schön, macht aber viel Arbeit“ könnte man in Abwandlung eines Spruchs von Karl Valentin über folgende Meldung schreiben, in der darüber berichtet wird, dass just einige sehr prominente Schriftsteller ihr demokratisch verbrieftes Recht auf freie Meinungsäußerung in Anspruch genommen haben.

 Autorin J.K. Rowling äußert gerne ihre Meinung.

Autorin J.K. Rowling äußert gerne ihre Meinung.

Foto: dpa/Evan Agostini

Deren offener Brief gegen „intolerantes Klima“ in der gesellschaftlichen Diskussionskultur, unterzeichnet unter anderem von bekannten Autoren wie Margaret Atwood, Noam Chomsky, J.K. Rowling und Daniel Kehlmann, hat in den USA für ziemlichen Wirbel gesorgt (wo gewisse Leute mit Leuten, die eine konträre Meinung vertreten, ja gewaltige Probleme haben, weil sie keine anderen Götter neben sich dulden).

In dem Brief, der online im „Harper‘s Magazine“ veröffentlicht wurde, drücken die mehr als 150 Unterzeichner ihre Unterstützung für die jüngsten Proteste gegen Polizeibrutalität und Rassismus in den USA aus. Unter anderem kritisieren sie, dass „der freie Austausch von Informationen und Ideen, der Lebensnerv einer liberalen Gesellschaft, mit jedem Tag immer mehr eingeengt wird“.

Initiiert wurde der Brief von Autor Thomas Chatterton Williams. „Es ist eine Verteidigung davon, dass Menschen frei sprechen und denken können, ohne Angst vor Strafe oder Vergeltung haben zu müssen, eine Verteidigung des Rechts anderer Meinung zu sein, ohne sich um seine Arbeitsstelle sorgen zu müssen“, sagte Williams der „New York Times“. Eigentlich eine Forderung, der sämtliche Menschen, die guten Willen sind, zustimmen könnten. Aber da bekanntermaßen jede Zustimmung mindestens eine Gegenstimmung erzeugt (was ja im Grunde eine funktionierende und damit, siehe oben, ziemlich arbeitsintensive Demokratie ausmacht), schlug auch diesem offenen Brief viel offene Kritik entgegen. Anstatt das Recht auf freie Meinungsäußerung zu unterstützen, warfen zahlreiche Menschen den Unterzeichnern vor, eine zu dünne Haut und Sorge vor dem Verlust von Privilegien und Relevanz zu haben – ein Gegenschuss, der in diesem Fall irgendwie nicht so recht ins Schwarze zu treffen scheint. Andere wiederum stießen sich an einigen der Unterzeichnern – allen voran an Joanne K. Rowling, die zuletzt mit kritischen Kommentaren über Transgender-Menschen für heftige Proteste gesorgt hatte.

Ganz dünnes Eis also, auf dem sich Harry Potters Mutter hier bewegt. Ihrer Meinung kann man zustimmen, solange sie nichts Ehrverletzendes, Rassistisches, Fremden-, Frauen- und Männerfeindliches vertritt (was in diesem Fall eigentlich nicht der Fall war). Oder man stimmt ihr nicht zu. Auch okay (Demokratie eben). Es war Norbert Blüm, der einmal folgende Lanze für die Streitkultur in seinen Beruf gebrochen hat: „Politik ist Kampf. Wer auf Harmoniesuche ist, der muss in den Gesangverein gehen.“ Gleiches lässt sich auf eine (faire) Streitkultur in allen gesellschaftlichen Bereichen übertragen. Und wem das nicht passt, der muss sich halt an einen kaudergewelschten Shakespeare halten: „The Best ist Schweigen“.

Rainer Nolden (mit dpa)

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