KOLUMNE

Sie werden es vielleicht nicht ahnen, weil Sie, wenn man Ihre Interview-Auftritte zugrunde legt, zu den schlichteren Gemütern im Lande gehören - aber Ihre Ausbootung aus der Nationalmannschaft ist ein gesellschaftspolitischer Skandal sondergleichen.

Da entdeckt Deutschland gerade die Senioren wieder, lobt die Weisheit und Erfahrung des Alters, setzt das Rentenalter hoch - und Sie sollen mit 33 aufs Altenteil. Platz machen für grüne Jungs, die das Fußballspiel meist nur von jener Ersatzbank aus kennen, die einstmals hart und lehrreich war, inzwischen aber mit Millionen Euros weich gepolstert ist. Die Youngster würden einfach besser in seine Spiel-Philosophie passen, hat Chef Klinsmann gesagt. Genau dasselbe sagen die Jungs von Roland Berger auch immer, wenn ihre Unternehmensberatung ein neues Personalkonzept vorlegt, bei dem alle ab 45plus in den vorzeitigen Ruhestand geschickt werden. Und wenn sich dann einer beim Betriebsrat beschwert, fliegt er gleich als Erster. Fast so wie bei Ihnen, nur dass bei Fußballprofis "Bild" die Rolle der Arbeitnehmervertretung übernimmt. Hat eigentlich Angela Merkel schon angerufen? Oder Franz Müntefering? Die haben doch beide erst letzthin den Jugendwahn der deutschen Manager so heftig gegeißelt. Da müssten die jetzt eigentlich ein ernstes Wörtchen mit dem Teamchef reden. Schließlich sind Sie der Dienstälteste in Ihrem Job, ein Muster an Verlässlichkeit, unspektakulär, aber effektiv, sicher nicht mehr der allerschnellste und mit der modernen Technik nicht ganz so bewandert wie die Newcomer - also in etwa das, was auf 90 Prozent der Arbeitnehmer im fortgeschrittenen Alter zutrifft. Wie wär's, wenn die sich alle mit Ihnen solidarisieren? Ein anderer, noch betagterer Fußball-Rentner hat sich ja schon zu Wort gemeldet: Oliver Kahn warnte vor einem radikalen Jugend-Kurs. Ich sehe das Bild schon vor mir: Alle Senioren, die sich in der Job-Existenz bedroht fühlen, bilden eine endlose Menschenkette mit dem Slogan "Ich bin Christian Wörns". Vielleicht macht T-Com ja eine Groß-Anzeige draus.Dieter Lintz