KOLUMNE

Das war's dann wohl. Die verrückteste Karriere im Nachkriegs-Deutschland. Vom Straßenkämpfer zum Konfliktvermittler. Vom Turnschuhminister zum Kaschmir-Diplomaten. Vom Moppelchen zum Dauerläufer. Vom langhaarigen Außenseiter zum König der Beliebtheits-Umfragen.

Vom Basis-Revoluzzer zum Partei-Dompteur. Vom Studienabbrecher zum Professor. Geht noch mehr? Wenn man sich die glatt polierte Polit-Elite von heute ansieht, muss man befürchten, dass Sie, Herr Fischer, das letzte Original in diesem zunehmend mediokren Milieu waren. Der wahre Enkel von Wehner, Strauß und Brandt. Der einzige Rock'n Roller unter lauter DJs, einer, der noch die Musik selbst machte, statt die von anderen produzierten Platten nur neu zusammenzumixen. Kindern, die in der Pubertät besonders heftig über die Stränge schlagen, sagt man nach, dass sie entweder völlig vom Weg abkommen oder dass Großes aus ihnen wird. Bei Ihnen dauerte die Rotzlöffel-Phase Jahrzehnte. Aber selbst bei den heftigsten Rüpeleien ("Mit Verlaub, Herr Präsident, sie sind ein A...") war immer ein Schuss Genialität dabei, immer eine Prise (Selbst-)Ironie. So richtig selbstgefällig sind Sie eigentlich erst geworden, nachdem was aus Ihnen geworden war. Aber selbst da konnte man Ihnen noch abnehmen, dass all die diplomatische Floskelei eigentlich gar nicht Ihre Welt war. Eins haben Sie uns mit Ihrer Biografie gelehrt: Hinter dem ärgsten Protest-Gehabe verbirgt sich oft nur der Wunsch, ein Plätzchen in der Gesellschaft zu ergattern, wo man seine Fähigkeiten angemessen entfalten kann. Bei Ihnen war das halt ziemlich weit oben. Dann war aber auch Ruhe. Was die Körperfülle angeht, haben Sie ja schon bewiesen, dass es einen Weg zurück in die Ursprünge gibt. Wäre schön, wenn Ihnen das in Sachen der frechen Redekunst auch gelänge. Nicht nur wegen der Studenten in Princeton. Dieter Lintz

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort