KOLUMNE

Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet ein Kritiker den größten Theaterskandal seit Jahren auslösen kann? Gut, Sie sind nicht irgendein Feuilletonist, Sie sind der Theaterpapst der FAZ, der Reich-Ranicki der Bühnen.

Und da hat doch tatsächlich so ein unverschämter Schlabbefligger vom Frankfurter Schauspiel gewagt, Ihnen, dem großen Gerhard Stadelmaier, mitten in der Premiere den Notizblock zu rauben, Sie dumm anzumachen und Ihnen, als Sie fluchtartig den Raum verließen, ein paar Frechheiten hinterherzugrölen. Dabei sollte er laut Regie doch nur das Publikum ein wenig einbeziehen in das Ionesco-Stück - es heißt übrigens "Das große Massaker-Spiel". Nun weckt die Vorstellung, dass man sich künftig mit einem Schlagring versehen muss, um renitenten Akteuren nicht wehrlos gegenüber zu stehen, bei jemandem, der selbst ab und zu Kritiken schreibt, nicht direkt Lustgefühle. Insofern wären Ihnen meine uneingeschränkte Sympathie und Solidarität nachgeschlichen, wenn Sie dem rüpligen Provokateur spontan und entschlossen gegen die Kniescheibe getreten hätten. Das haben Sie aber nun leider nicht getan. Sondern stattdessen lieber etliche Zeilen der samstäglichen FAZ mit ihrer Betroffenheit und Erniedrigung, mit ihrer Sorge um die Meinungsfreiheit, ja geradezu um den Bestand des theatralen Abendlandes gefüllt. Zutiefst erschüttert, forderte die Frankfurter Oberbürgermeisterin, die das Stück natürlich nicht gesehen hatte, sofortige Konsequenzen, was wiederum dazu führte, dass die mutige Intendantin, die die Premiere natürlich auch nicht gesehen hatte, das große Massakerspiel vorsorglich mit dem betroffenen Darsteller spielte. Prompt bot die halbe Theaterwelt, die Sie, werter Herr Stadelmaier, eh so gut leiden kann wie einen chronischen Keuchhuster im ersten Parkett, dem Geschassten Asyl. Ein herrliches Stück eigentlich, mit Ihnen als unfreiwilligem Hauptdarsteller. Ist doch auch nur gerecht, wo Sie in Ihren Kritiken sonst immer so wunderbar brillant und unübertrefflich wortmächtig die anderen in den Senkel stellen, dass die Kulissen wackeln. Aber, im Vertrauen: Ich dachte immer, wer so was von austeilen kann wie Sie, hat vielleicht auch in eigener Sache wenigstens ein Krümelchen Ironie und Sarkasmus übrig. Und ein Gran Augenmaß. War wohl nix. Sie halten's da wohl eher mit Shakespeare: Viel Lärm um nichts. Dieter Lintz

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