Komplexe Technik im ländlichen Idyll

Weidingen · Zum Sommer geht die Kunst aufs Land. In der Kunstscheune im Eifeldorf Weidingen bei Bitburg sind derzeit Arbeiten des Fotografen Thomas Struth zu sehen. Die Schau ist die erste Sommerausstellung der Stiftung "Kunst in Weidingen", die von dem Berliner Galeristen Max Hetzler und seiner Frau gegründet worden ist.

 Thomas Struth vor seiner Fotografie „Golems Playground, Georgia Tech, Atlanta“, die noch bis Samstag, 24. August, in der Kunstscheune im Eifelort Weidingen zu sehen ist. Foto: Eva-Maria Reuther

Thomas Struth vor seiner Fotografie „Golems Playground, Georgia Tech, Atlanta“, die noch bis Samstag, 24. August, in der Kunstscheune im Eifelort Weidingen zu sehen ist. Foto: Eva-Maria Reuther

Weidingen. Dass Thomas Struth einer der bekanntesten Fotografen dieser Zeit ist, muss kaum noch erwähnt werden. Eher schon, dass er auch zu den nachdenklichen gehört. Wer sich mit dem 1954 geborenen, hochgewachsenen Mann unterhält, erkennt schnell: hier ist einer unterwegs, der die Welt und ihre Verhältnisse eingehend reflektiert und seine Einsichten in Bildern ausdrückt. "Aus dem, was die Öffentlichkeit und mich umtreibt, möchte ich neue Bilder machen, die so vorher noch nicht zu sehen waren", sagt Struth. Schon immer habe ihn zudem das Verhältnis von Individuum und Gemeinschaft interessiert, erklärt der Fotograf, der sich in seinen Arbeiten gleichermaßen mit Stadträumen, Museen und ihren Betrachtern oder dem menschlichen Porträt auseinandergesetzt hat. Erste Bilder entstanden 2009

Zu seiner Werkgruppe der Technik-Bilder, deren erste 2009 entstanden sind, habe ihn eine allerorts wahrgenommene Wissenschafts- und Fortschrittsgläubigkeit und die Allgegenwart der Technik angeregt, berichtet Struth. Was ihn zudem fasziniere: Anders als viele Politiker seien Wissenschaftler in der Lage, weltweit zielführend an der Lösung von Problemen zusammenzuarbeiten. Wie diese Welt von Wissenschaft und Technik funktioniert und was sie im Innersten zusammen hält - dafür wollen Struths Fotografien ein Bewusstsein schaffen. "Ich will mit meinen Fotos der Öffentlichkeit die Tür öffnen und die Komplexität dieser Systeme deutlich machen", sagt er. Im idyllischen Umfeld des Dorfes hat der weiße Raum der Kunstscheune, in der Struths Bilder von High-Tech-Anlagen zu sehen sind, etwas von einer Kernzelle, in deren Innerem Natur überwunden und technischer Fortschritt generiert wird. In Struths Kompositionen wirken die Strukturen der technischen Anlagen bisweilen wie abstrakte Zeichen. Ringen um Erkenntnis

Im Hemholtz-Zentrum in Berlin hat Struth ebenso fotografiert wie in einem Roboter-Labor in Atlanta oder in der düsteren Anlage eines "Blow out Preventers" in North Dakota, einem System zur Verhinderung von Gasausbrüchen. Struths Fotografien beschränken sich nicht aufs Abbilden. Sie dringen ins Wesen von Forschungsarbeit und technischer Entwicklung vor und erzählen - ohne dass irgendein Mensch zu sehen ist - Geschichten vom harten menschlichen Ringen um Erkenntnis. Wirrwarr von KabelnIm Wirrwarr der Kabel und Schläuche, in den mit Plastiktüten geschützten Geräteteilen, stellt sich technischer Fortschritt ebenso als Ideengeschichte dar wie als höchst komplexer Prozess, dessen dichtes Knäuel aus Informationen und Reaktionen systematisch und erfindungsreich entwirrt und sortiert werden muss, um zu neuen Systemen zu gelangen. Gerade Grundlagenforschung habe viel mit dem eigenen kreativen Arbeiten gemein, hat Struth erkannt. "Künstler haben eine ähnliche Mentalität", sagt der Fotograf und meint damit die gleiche Besessenheit, eine neue Idee zu verfolgen. erKunstscheune, Gartenstraße 12, Weidingen. Bis Samstag, 24. August, täglich 14 bis 19 Uhr

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