Konzentriertes Kammerspiel

Jede Menge politische Prominenz kam am Freitag zur Premiere von "Madame Butterfly" ins Merziger Opernzelt. Die Regierungschefs, Minister und Oppositionsführer erlebten im Endspurt des Saar-Wahlkampfs eine Aufführung, die verzeichnen konnte, wovon Politiker nur träumen: annähernd hundertprozentige Zustimmung beim Publikum.

 Hye-Sung Na spielt Madame Butterfly. TV-Foto: Rolf Ruppenthal

Hye-Sung Na spielt Madame Butterfly. TV-Foto: Rolf Ruppenthal

Merzig. (DiL) Der Knall-Effekt kommt ganz zum Schluss. Da öffnen sich die Vorhänge zum kleinen Teehaus von Cio Cio San, und darin liegt, unter einem blutigen Sternenbanner, ihr toter Sohn. Madame Butterfly hat ihr Kind getötet, statt es seinem amerikanischen Vater zu überantworten, und einen Moment sieht es so aus, als würde sie ihn auch noch umbringen - bevor sie die Waffe dann doch gegen sich selbst richtet. Das Publikum braucht einen Moment, bevor es den Schock verarbeitet hat und in frenetischen Beifall ausbricht. Die Wirkung ist um so größer, als es bis zu diesem Zeitpunkt die konventionellste Inszenierung in der Geschichte der Zelt oper gesehen hat, weit ab von jeder szenischen Irritation oder Verfremdung.

Regisseur Andreas Gergen bringt ein eindrucksvolles, konzentriertes Kammerspiel auf die Bühne, in dessen Mittelpunkt die sorgfältig ausgeloteten Charaktere und Beziehungen der handelnden Personen stehen. Bühnenbildner Markus Maas hat ihm dafür als Spielfläche einen quadratischen Steingarten samt Wasser-Bändern ins Zelt gebaut, an einer Ecke symbolträchtig vor sich hin bröckelnd, mit einer riesigen, farblich changierenden Sonne im Hintergrund. Kein Faszinosum, aber eine praktikable Kulisse. Und angenehm kitschfrei. Zur Ouvertüre sieht man den rituellen Selbstmord von Cio Cio Sans Vater, überwacht von schwarz gekleideten Ninja-Kämpfern, die als aggressive Hüter der traditionellen Ordnung immer wieder auftauchen. Es ist weniger eine Geschichte von Schuld, die Gergen erzählt, als die einer unseligen Mischung von kulturellen Missverständnissen und unterschiedlichen Lebensentwürfen. Pinkerton ist ein sorgloser Sonnyboy, der das fremde Land als Vergnügungspark betrachtet, in dem sich für Dollars und Whisky-Präsente alles kaufen lässt. Cio Cio San hängt mit unbelehrbarer Konsequenz an ihrem "American Dream", und beide verdrängen jeden Einwand, jede Erkenntnis, die ihr Umfeld ihnen rechtzeitig zu vermitteln versucht. Am Ende läuft der überforderte Mann einfach feige weg, und die verletzte Frau zieht die radikalste denkbare Konsequenz. Joachim Arnold am Pult des Bolschoi-Orchesters Minsk liefert dazu eine Musik, die ähnlich radikal die Tempo-Flexibilität der Partitur ausprobiert. Atemlos schnell am Anfang, fast schmerzhaft langsam später in den dramatischen Phasen, mit einem ausgeglichenen Klangbild, bei alledem immer im Dienst der Sänger, Hand in Hand mit dem Spannungsaufbau der Inszenierung. Und mit handwerklich sehr präzise gearbeiteten Ensemble-Szenen. Von Hye-Sung Na als Butterfly wird man noch hören. Nicht nur, weil sie die Kindfrau so glaubhaft verkörpern kann. Eine Sopran-Stimme, die sich weich an die Noten anschmiegt, aber auch heftige Ausbrüche bewältigt, ohne schrill zu klingen. Eine Sängerin mit gutem Gefühl für Timing, gerade im schwierig zu bespielenden Zelt-Ambiente. Da entsteht eine eminente Dichte der Darstellung, ebenso wie bei Timothy Richards' Pinkerton. Nuancenreich seine für einen Tenor ungewöhnlich beredte Körpersprache. Und dann lässt er seine Stimme nach oben aufblühen, in der Höhe sehnsuchtsvoll leuchten - fast schon zu sympathisch für seine Rolle. Jede der Nebenfiguren (Viola Zimmermann, Heikki Kilpeläinen, James Wood, Vasily Kovalchiuk) ist exakt ausgeleuchtet und gespielt. Nur der Chor aus Minsk leidet etwas unter den eingeschränkten Möglichkeiten, die das Zelt bietet. Am Ende Ovationen für alle Beteiligten. Vorstellungen am 2., 4. und 5. September, Restkarten noch vorhanden. Info: www.musik-theater.de. Tickets auch in den TV-Servicecentern Trier, Wittlich, Bitburg.

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