Konzertereignis Johannes-Passion
Eine Woche nach Johann Sebastian Bachs 325. Geburtstag erklang im Trierer Dom dessen Johannes-Passion. Ein Konzertereignis, das seinesgleichen suchen kann.
Trier. "Erstmals wird in diesem altehrwürdigen Dom eine der großen Bach-Passionen aufgeführt. Ein historischer Moment, und Sie sind dabei." Mit diesen Worten begrüßte Domkapellmeister Stephan Rommelspacher die knapp 1000 Besucher in der Trierer Bischofskirche zum Konzert am Palmsonntag. Die Johannes-Passion, BWV 245, wurde 1724 erstmals aufgeführt und ist damit die älteste Karfreitagsmusik Bachs, gleichzeitig aber auch die jüngste, denn er hat dieses Werk mehrfach, zuletzt 1749, überarbeitet. Die Verantwortung für die Aufführung lag in den Händen von Domkantor Thomas Kiefer, der Trier mit diesem Abend etwas Außergewöhnliches geschenkt hat.
Zunächst war es erstaunlich, dass die Jugendkantorei am Trierer Dom, verstärkt durch den "Projektchor Johannes-Passion", eine solch gewaltige Aufgabe stemmen konnte. Diesem Klangkörper muss man auch vorbehaltlos die größten Komplimente machen, waren alle anderen Beteiligten doch Profis in Sachen Musik.
Da war zunächst einmal die technische Seite, die staunen machte. Welch eine Präzision, vom Eingangschor bis hin zum Schlusschoral. Es gab kaum eine Situation, in der man das Gefühl haben musste, es wackle ein wenig. Intonatorisch bewegte sich der Chor, der durchweg aus sehr jungen Mitgliedern bestand, auf allerhöchstem Niveau und lieferte eine verblüffende Sauberkeit. Was aber, bei aller Perfektion, viel mehr beeindrucken konnte, war die musikalische Tiefe, mit der hier agiert wurde. Die jugendlichen Sängerinnen und Sänger waren durchdrungen von diesem Werk und all seinen Aussagen. Sie wurden zu authentischen Botschaftern des Karfreitagsgeschehens. Trier ist eine Stadt der Chöre. Mit diesem Konzert wurde im Dom die Qualitätsmesslatte ein Stück höher gelegt.
Freilich - dass dieser Abend ein großer Erfolg wurde, lag auch an den mitwirkenden Solisten und am Orchester L'arpa festante. Die Instrumentalisten aus München sind ja fast schon das Hausorchester in Dom und Basilika, wenn es um Alte Musik geht. Auch diesmal enttäuschten sie nicht, waren für Kiefer ein verlässlicher Partner in allen Situationen. Bei den Vokalsolisten ist allen voran der Tenor Hermann Oswald zu nennen, der als Evangelist eine Herkulesaufgabe zu erfüllen hatte.
Viel wichtiger als die Tatsache, dass im zweiten Teil der Passion seine Stimme ein wenig einknickte, war die überzeugende Art, wie er seine Rolle verkörperte. Er war ein glaubhafter Berichterstatter, der seine Zuhörer in Trauer, Liebe, Mitleid und auch Wut versetzen konnte. Ebenfalls großartig der Bassist Andreas Pruys, der in der Christusrolle kurzfristig für den erkrankten Felix Speer eingesprungen war. Mit profunder Stimme trat er in Erscheinung und vertrat seine hoffnungslose und gerade deshalb siegesgewisse Partie. Ein empathischer Höhepunkt war die Sopran-Arie "Zerfließe, mein Herze", gesungen von einer glänzend vorbereiteten Eva Leonardy. Überhaupt hätte man das Solistenquintett als mustergültig bezeichnen können, wenn es Bettina Ranchs Alt nicht ein wenig an Kraft gefehlt und Marek Rzepka (Bass-Arien und Pilatusrolle) etwas verständlicher gesungen hätte. Letztlich war es aber Kiefer, für den die Anerkennung nicht groß genug ausfallen kann. Der noch junge Domkantor hat hier sein Meisterwerk an musikalischer Ausdeutung abgeliefert. Makellos gestaltete er die Übergänge zwischen den Chören, den Rezitativen und den Arien, baute vom Eingangs-Chor an eine Spannung auf, die das Publikum bis zum letzten Ton nicht mehr loslassen sollte. Mit seinem präzisen Dirigat hatte er die Aufführung fest im Griff. Ihm ist es zu verdanken, dass nach den begeisterten Ovationen viele Konzertbesucher am Ende sagten, solch eine intensive musikalische Erfahrung hätten sie in Trier noch nie gemacht.