Korruption und ein toter Dezernent

Trier · Intrigen im Rathaus, ein halbseidener Medienmensch, Flatrate-Bordelle und Pläne für ein Einkaufscenter am Viehmarkt: In Sabine Schneiders und Stephan Brakensieks Krimi "Im Schatten der Wallfahrt" werden etliche regionale Themen durch die Fantasie der Autoren zu einem lesenswerten Vergnügen.

 Stephan Brakensiek und Sabine Schneider mit ihren beiden bisher erschienenen Krimis um den Kommissar Ferschweiler. Ein dritter Band ist bereits geplant. TV-Foto: Karin Pütz

Stephan Brakensiek und Sabine Schneider mit ihren beiden bisher erschienenen Krimis um den Kommissar Ferschweiler. Ein dritter Band ist bereits geplant. TV-Foto: Karin Pütz

Foto: Karin Pütz (kap) ("TV-Upload P?tz"

Trier. Wer beim Titel des Krimis, auf dessen Cover das Trierer Marktkreuz abgebildet ist, religiöse Inhalte erwartet, der liegt falsch. Die Heilig-Rock-Wallfahrt 2012 diente dem Autorenteam lediglich rudimentär als Inspiration für seinen zweiten Krimi, in dem Kommissar Ferschweiler ermittelt.
Viele Verdächtige


Wie schon in "Die schöne Tote im alten Schlachthof" ermittelt sich der Trier-Wester wieder bodenständig und etwas schnoddrig durch die Fakten, die mit der Ermordung des Trierer Baudezernenten in Verbindung gebracht werden. Dieser war während einer Feier in den Viehmarkt-Thermen zu Tode gekommen. Und da er nicht der Beliebteste war, gibt es eine Menge Verdächtige: Niels Baron, der von Mobilfunkfirma bis Rundfunksender von einer Pleite in die andere schlitterte und nun seinen Geschäftserfolg in einem anderen Sektor sucht, den Intendanten Gotthilf Hanselmann, der sich die Rettung des Trierer Theaters durch die Errichtung eines Einkaufszentrums mit integrierter Kulturstätte erhofft, sowie einige Personen aus dem Umfeld der Stadtverwaltung.
"Es geht um Korruption", sagt Stephan Brakensiek kurz und bündig über den Krimi, den er zusammen mit Sabine Schneider geschrieben hat. Dass gleich zwei Autoren am Werk waren, merkt man dem Krimi indes an keiner Stelle an. Sämtliche Figuren sind stimmig und detailliert ausgearbeitet, die einzelnen Szenen, die allesamt in Trier und Umgebung spielen, schlüssig und nachvollziehbar. Hier wurde nicht unter dem Deckmantel "Trier-Krimi" eine austauschbare Geschichte unter Zuhilfenahme von Trierer Straßen und Plätzen zusammengesetzt. Aktuelle Begebenheiten wurden stattdessen geschickt mit Fiktion verwoben.
Dass man als Trierer "beim Drei-Finger-Joe" sein Schaschlik isst und die Mariensäule nur gegen ein Entgelt zum Leuchten bringen kann, sind liebenswerte Details, die beim Lesen immer wieder für Aha-Effekte sorgen.
"Wir backen uns die Leute aus verschiedenen Merkmalen zusammen, dabei werden die Personen niemals eins zu eins wiedergegeben", erklärt Sabine Schneider, und Stephan Brakensiek ergänzt: "Unser Krimi lebt davon, dass Lokalkolorit in allen Facetten aufblitzt." Dazu hat sich das Trierer Autorenduo der Themen bedient, die in "uns schöner Trier" im Fokus der öffentlichen Diskussion stehen: die Sanierung des Theaters, Prostitution in Flat rate-Bordellen und die Errichtung eines weiteren Einkaufszentrums am Standort der Europahalle - allesamt heiße Eisen, die als Mordmotive taugen.
Großes Lesevergnügen


Dieser Wiedererkennungswert macht neben dem hohen sprachlichen Niveau und dem gründlichen Lektorat die Verbrecherjagd "Im Schatten der Wallfahrt" auch für Nicht-Krimi-Fans zu einem Lesevergnügen. Der Kunsthistoriker Stephan Brakensiek gibt zu: "Ich lese sehr selten Krimis, ansonsten fast nur Fachbücher." Das ist möglicherweise ein Grund, dass es in der Geschichte nicht sehr blutig zugeht. "Darstellung von expliziter Gewalt ist nicht unser Ding", sagt Sabine Schneider, die im Gegensatz zu ihrem Mit-Autor ein großer Freund der Schwedenkrimis vor allem von Håkan Nesser ist. Der habe einmal in einem Interview gesagt: "Der Leser merkt, wenn der Autor nur gegoogelt hat."
Sabine Schneider/Stephan Brakensiek: "Im Schatten der Wallfahrt", Emons Verlag 2015, 304 Seiten, 10,90 Euro.
Welche Abgründe sich "Im Schatten der Wallfahrt" auftun, erfahren Besucher heute Abend um 20.15 Uhr bei einer Lesung in der Mayerschen Buchhandlung Interbook in Trier.

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