Kraft der Sprache, Magie des Erzählens

Eine Frau, die unbeirrt an die Kraft der Sprache glaubt. Ein Mann, der sich von den Seltsamkeiten des Lebens nicht aus der Ruhe bringen lässt: Im Bitburger Haus Beda haben am gestrigen Sonntag A.L. Kennedy und Wolfgang Herrndorf den Eifel-Literaturpreis erhalten - im Rahmen des vom Trierischen Volksfreund präsentierten Eifel-Literatur-Festivals.

Bitburg. Eine "inspirierende Rede" hatte sich Festivalchef Josef Zierden von A.L. (Alison Louise) Kennedy, der ersten Gewinnerin des Internationalen Festival-Preises, gewünscht. Die hat er bekommen. Und dass die schottische Autorin auch darin einen scharfen Blick auf das Leben wirft, überrascht nicht.

Die Wirklichkeit, sagt sie, sei "in vielfältiger Weise ziemlich negativ - wir erleiden Schmerz und Verlust, und dann sterben wir. Wir sind, in vielfältiger Weise, unentrinnbar allein, Energie geht verloren, alle Dinge erkalten und werden zu Staub. Alles, was etwas ist, wird zu nichts. Aber wenn wir Wörter benutzen, dann nehmen wir ebenfalls ,nichts' - Ideen, die keine Spur hinterlassen im Verstand, der sie denkt, ... und wir erschaffen eine unbegrenzte Zahl von Welten, von Wirklichkeiten. Durch einen schlichten, vielleicht allzu gewohnten Akt der Magie kehren wir die Gesetze von Zeit und Raum um." Magie des Worts, Macht der Sprache - eine Macht, die zum Guten wie zum Schlechten genutzt werden könne, mahnt Kennedy. Sie geht mit ihrem Land ins Gericht, das seiner Jugend die Chancen raube, mit einem Bildungssystem, "das entworfen wurde, um Geld zu sparen". Und mit dem Verlust der Lesekultur. Wer aber lese und anderen zuhöre, werde "daran erinnert, dass sie genau so interessant, menschlich, komplex und unersetzlich sind wie wir selbst".

Ihre Rede beendet sie mit einem Gedicht von Edmund Blunden, Soldat im Ersten Weltkrieg - einem Gedicht über das Leben und über den Tod, der unter einer dünnen Kristallschicht gefrorenen Wassers auf die Eisläufer wartet, die dennoch laufend, tanzend, lachend für kurze Zeit über ihn triumphieren.

Beeindruckend zu erleben, wie hier jemand an das glaubt, was er tut, und nebenbei seiner Zuhörerschaft die wirklich wesentlichen Dinge in Erinnerung ruft. Furchtlos eben, wie Laudatorin Sigrid Löffler sagt: "Die Autorin lässt sich auf Dinge ein, denen sonst gerne ausgewichen wird." Dennoch bleibe immer Kennedys menschenfreundlicher Blick. "Und diese Menschenfreundlichkeit ist imprägniert mit Kennedys Humor."

Humor - ein gutes Stichwort, um zum Förderpreisträger zu wechseln: Wolfgang Herrndorf. Wo Kennedys Figuren Grenzen überschreiten, verweilen seine Charaktere auf der Schwelle, sagt Laudator und Jurymitglied Martin Lüdke. Von dort jedoch ist gut beobachten - ein weiterer Punkt, an dem sich die beiden 1965 geborenen Autoren treffen. Bei den Auflagenzahlen sieht es etwas anders aus: Er arbeite deshalb gerade an einem Krimi, sagt Herrndorf im Gespräch mit Lüdke - "weil ich jetzt einen Bestseller schreiben muss". Von Kollegin Kathrin Passig habe er sich bereits eine Liste mit den zehn größten Krimi-Klischees geben lassen. "Die arbeite ich jetzt getreulich ab."

Den dringend benötigten Förderpreis des Festivals, dotiert mit 3000 Euro, erhält Herrndorf von der Kulturministerin der Deutschsprachigen Gemeinschaft (DG) Begiens, Isabelle Weykmans. Die DG hat den Preis gestiftet, Herrndorf liest am Dienstag, 10. Juni, 20 Uhr, in der St. Vither Bürgermeisterei. Den Preis an A.L. Kennedy (15 000 Euro) überreicht Roger Graef, Landrat des Eifelkreises Bitburg-Prüm. Das Preisgeld wurde bereitgestellt von der S-Finanzgruppe, der Dr. Hanns-Simon-Stiftung, der Stiftung Van Meeteren, dem Literaturbüro Eifel und dem Trierischen Volksfreund.

ExtraAuszug aus Sigrid Löfflers Laudatio:

Das Gesamtwerk A.L. Kennedys in zehn Minuten zu würdigen, sei unmöglich, sagt Kritikerin und Publizistin Sigrid Löffler zu Beginn ihrer Lobrede auf die Preisträgerin. "Allenfalls kann ich Ihnen eine Ahnung vermitteln von der Tiefe und Radikalität dieses Werks, seinem Humor, seiner Unerschrockenheit und Sprachgewalt... A.L. Kennedy ist eine furchtlose Autorin. Sie reißt den Leser mit durch ihre Kühnheit, durch die Kraft ihrer Bilder, durch die Klarheit und Sprachgewalt ihrer Erzählungen. Sie gewinnt den Leser durch ihre unbedingte Wahrhaftigkeit und Klarsicht. Und sie schreibt sich ein in das Gedächtnis des Lesers durch ein Ethos des barmherzigen Blicks. Ich gratuliere A. L. Kennedy zum 1. Internationalen Eifel-Literaturpreis und ich gratuliere dem Festival zu dieser Preisträgerin." (fpl)

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