Kühle Brillanz

Trier · Das Mosel-Musikfestival hat in diesem Jahr kein Glück mit der Open-Air-Saison. Auch das Klavierkonzert mit Martin Stadtfeld, das man gerne in der faszinierenden Akustik des Innenhofs im Kurfürstlichen Palais gehört hätte, musste nach St. Maximin ausweichen.

Trier. Auch Wunderkinder werden älter. Martin Stadtfeld, vor elf Jahren bei seinem Moselwestwochen-Debüt als Nachwuchs-Sensation gefeiert, ist inzwischen 31, hat alles gewonnen, was es an Preisen und Auszeichnungen gibt und sich einen Platz in der handverlesenen Pianisten-Elite des Landes erobert.
Warum, das zeigt er eindrucksvoll bei den drei Bach-Klavierkonzerten, die nicht nur das Repertoire seiner aktuellen CD-Einspielung ausmachen, sondern auch das Programm dieses Abends in St. Maximin. Seine enorme Geläufigkeit macht nach wie vor staunen, die kaum fassbare Selbstverständlichkeit, mit der er die kompliziertesten Notierungen in Töne verwandelt, vor allem bei den schnellen Ecksätzen.
Manche Kinderkrankheiten und Macken hat er offensichtlich überwunden, das gelegentliche Mitsummen der Noten etwa oder die einst skurrile Körperhaltung. Aber auch stilistisch hat das wenig zu tun mit jenem "swingenden Bach", den Kritiker einst dem jungen Stadtfeld attestierten.
Zu hören ist eher ein langer, ruhiger Fluss, den der Pianist entspringen lässt und begleitet - technisch brillant, interpretatorisch sehr zurückhaltend. Da reiht einer Perlen auf eine Schnur, sorgfältig, schön, gleichmäßig, makellos. Opulenz und Show wird dankenswerterweise vermieden. Aber auch von Eigensinn und Gestaltungswillen ist an diesem Abend wenig zu spüren, den tiefsten Eindruck hinterlässt da die Zugabe, der von Stadtfeld selbst bearbeitete Choral "Nun komm, der Heiden Heiland", solo am Flügel vorgetragen - ein Stück, über das man mehr schreiben und interpretieren könnte als über die drei Klavierkonzerte des Abends zusammen.
Stadtfeld arbeitet am Flügel mätzchenfrei und mannschaftsdienlich, die Kammerphilharmonie "Amadè" begleitet auf Augenhöhe und steuert zwei muntere kleine Mozart-Sinfonias bei - und das ohne den erkrankten Dirigenten, der von der Konzertmeisterin vertreten wird.
Der Abend bietet Delikatesse und Differenzierung, technische Brillanz und Perfektion - vielleicht einfach zu viel von alledem, als dass der Funke der Begeisterung so richtig überspringen könnte.
Da passiert live nicht viel zwischen Pianist, Orchester und Publikum, außer Bewunderung. Was - neben der Stücke-Auswahl - auch damit zusammenhängen könnte, dass das Klangbild, je weiter man in St. Maximin nach hinten geht, umso unbefriedigender wird. Der Flügel klingt aus größerer Entfernung matt, setzt sich nur unzureichend vom Orchester ab.
Am Ende freundlicher, respektvoller Beifall. Da hat man, gerade bei Stadtfeld-Konzerten, schon mehr Emotion erlebt. Vielleicht beim nächsten Mal, das es hoffentlich geben wird. Und dann tatsächlich im Innenhof.

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