Besondere Aktion in Föhren Warum ein ganzes Dorf kleine Kunstwerke geschenkt bekommt - und sich viele erst mal wundern

Föhren · Das gab’s in Deutschland wohl noch nie: Warum eine Künstlergruppe Unikate an alle Föhrener verschenkt – was es damit auf sich hat.

 Insgesamt zwölt Künstlerinnen und Künstler der Gruppe Zinkflug sind an der Aktion beteiligt.

Insgesamt zwölt Künstlerinnen und Künstler der Gruppe Zinkflug sind an der Aktion beteiligt.

Foto: Zinkflug

Eine Kunst-Aktion der ungewöhnlichen Art gbt’s derzeit in Föhren (Kreis Trier-Saarburg). Jeder Haushalt in der 2500-Einwohner-Gemeinde hat in den vergangenen Tagen bereits ein Original-Kunstwerk im Briefkasten gefunden oder an der Haustür überreicht bekommen – oder er soll in den nächsten Tagen noch eins bekommen. Kostenlos, frei Haus. Von der Künstlergruppe Zinkflug, die vor neun Jahren im Künstlerhaus Föhren gegründet wurde. Es handelt sich dabei um Flugblätter der besonderen Art.

Die Künstlerin Annamalt klärt im TV auf, was es damit auf sich hat. Über Wochen hinweg hätten zwölf Künstlerinnen und Künstler an Linolschnitten gearbeitet. „Sie haben 16 Motive ausgewählt und drucken von jedem 100 Abzüge. Jeder Druck (Linolschnitt) stellt ein Unikat dar“, sagt sie.

Die Idee, jedem der 1400 Haushalte in Föhren eine Überraschung zu bieten, sei im Rahmen des 25. Jubiläums des Künstlerhauses in diesem Jahr entstanden. „Zinkflugblätter“, so nennt sich die Aktion. Wie die Aktion aufgenommen wird? Sehr positiv, sagt Annamalt. Auch wenn mancher Föhrener wohl erst mal ratlos war nach dem Blick in den Briefkasten. Details zur Aktion finden sich darauf nicht, nur der Verweis auf Künstlerhaus. „So hat uns auch schon jemand sein Unikat zurückgebracht, weil er dachte, es wäre versehentlich bei ihm Briefkasten gelandet“, sagt Annamalt. So weiß die Gruppe auch nicht, welches Flugblatt es gerahmt an die Wohnzimmerwand schafft – und welche vielleicht ins Altpapier wandern werden.

Das mache es aber auch spannend. Bei den Föhrenern, die bei der noch bis zum Wochenende andauernden Verteilaktion persönlich angetroffen wurden, sei die Aktion jedenfalls sehr gut angekommen.

Das ist eins von 16 Motiven der Reihe - alle Drucke sind signiert und auf 100 Exemplare limitiert.

Das ist eins von 16 Motiven der Reihe - alle Drucke sind signiert und auf 100 Exemplare limitiert.

Foto: Zinkflug
Die Künstlerin Annamalt vor ihrem Haus in Föhren.

Die Künstlerin Annamalt vor ihrem Haus in Föhren.

Foto: Bernardy Katja

Warum gerade ein Flugblatt? Das habe einen Hintergrund, sagt Annamalt, die seit 1994 im knallbunten Haus mit dem halben Mercedes in der Fassade wohnt. In den Anfangsjahren fremdelten viele Föhrener noch mit dem Graffiti-Haus, vorsichtig formuliert. Ist das Kunst oder muss das weg, also: gestrichen werden? So wie es die Ortsgemeinde damals forderte. Künstler Edward Naujok (er starb 2016) weigerte sich, berief sich auf die Kunstfreiheit, ging vor Gericht – und gewann. Das Oberverwaltungsgericht bestätigte vor 25 Jahren im Graffiti-Urteil, dass die Kunstfreiheit über dem Baurecht stehe. Vorher habe es von anonymer Seite böse Flugblätter gegeben, die das Künstlerhaus in die Nähe zur damaligen Hamburger Hausbesetzerszene rücken wollten. Nicht nur deshalb stand das Jubiläum unter dem Motto „Die Farben sind frei“.

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