UNTERM STRICH – DIE KULTURWOCHE Kultur und Temperatur

Wird’s demnächst auch im Theater frisch? Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) hat mit ihren Länderkollegen weitere Vorkehrungen für eine mögliche Gasnotlage in die Wege geleitet. Kultureinrichtungen sollen Notfallpläne erarbeiten und bei Gas und Strom sparen.

Hat Aiga Rasch gestaltet: Hörspielkassetten der drei ???.

Hat Aiga Rasch gestaltet: Hörspielkassetten der drei ???.

Foto: dpa/Wolfram Kastl

Genaue Vorgaben, wie viel gespart werden soll, werden darin nicht gemacht. Genau darin liegt die Chance von Schauspiel- und Opernhäusern. Wären sie doch dann mehr denn je in der Lage, ihrem Publikum ein ganzheitliches Spektakel zu bieten – ganzheitlich im Sinne von: nicht nur Seh- und Hörvergnügen; es käme nämlich noch die Temperatur als zusätzliches dramaturgisches Element ins Spiel. Natürlich müssten die Spielpläne ein wenig angepasst werden, um ein Rundum-Gesamtkunstwerk zu präsentieren. Aber das dürfte das geringste Problem sein, bietet die Dramenliteratur doch genügend Beispiele, die bei einstelligen Temperaturgraden aufgeführt werden können. Da wäre zunächst Shakespeares „Wintermärchen“. Das spielt zwar auf Sizilien und in Böhmen, wo es eher selten usselig ist, aber was hindert einen Regisseur, zumal einen deutschen, daran, die Handlung auf die äußeren Hebriden zu verlegen? Romeo und Julia waren schließlich auch schon als Punker unterwegs, und Shakespeare hat, soweit bekannt, keinen Einspruch dagegen eingelegt. Den Biberpelz werden die Zuschauerinnen wahrscheinlich ohnehin mitbringen, aber die selten gespielte  „Winterballade“ vom selben Autor, nämlich Gerhart Hauptmann, könnte unter den gegebenen Umständen auch mal wieder entstaubt werden. Und wenn der Eismann kommt, lässt man ihn natürlich sofort auf die Bühne. Tankred Dorsts „Eiszeit“ bietet sich natürlich an, eventuell noch Christopher Frys „Die Dame ist nicht fürs Feuer“, da kann man sich mit der Protagonistin Jennet solidarisch erklären, die zu Beginn des 15. Jahrhunderts auf keinen Fall auf dem Scheiterhaufen landen will. Notfalls geht noch William Saroyans ziemlich vergessenes Stück „Mein Herz ist im Hochland“, da oben ist es ja auch immer etwas kühler. Auf Zuckmayers „Gesang im Feuerofen“ sollten die Intendanten allerdings besser ebenso verzichten wie auf Georg Kaisers „Gas“; besonders Letzteres dürfte unangenehme Erinnerungen wecken an Zeiten, als es das noch im Überfluss gab. Und Claudels „Johanna auf dem Scheiterhaufen“ könnte ebenfalls in manchem Zuschauer den Wunsch entstehen lassen, mit der Titelheldin die Plätze zu tauschen. Also, liebe Theaterschaffende: Dreht eure Gashähne zu und ändert eure Spielpläne. Das wäre dann mal ein echtes Zeichen von Solidarität.

In den Museen freilich, so Frau Roth, müssten allerdings die klimatischen Anforderungen sichergestellt sein, um Schäden wie Schimmelbildung zu verhindern. Deshalb wird man auch nicht frieren, wenn man in Berlin die Zitadelle Spandau besucht, in der eine Ausstellung mit Werken  von Aiga Rasch ausgerichtet wird. Aiga wer? Tja, das ist das Los von Künstlern, die sich der Buchgestaltung widmen. Nur die wenigsten werden berühmt. Raschs Werke allerdings kennt jedes Kind: Die Künstlerin, die von 1941 bis 2009 lebte, hat die Cover der Buch- und Hörspielserie „Die drei ???“ gestaltet. Die poppigen Bilder auf schwarzem Grund haben der Kinder- und Jugendreihe einst „zum Durchbruch verholfen“, wie Sachbuch-Autor Christian Rodenwald über die Schau „Aiga Rasch und die geheimnisvolle Festung“ sagt. Die gebürtige Stuttgarterin hat allerdings nicht nur etwa 100 Mal „Die drei ???“ aufgepeppt: Ihr Werk umfasst mehr als 600 Kinderbücher und 5000 Illustrationen für 50 Verlage. Die Ausstellung beginnt am 14. Oktober und dauert bis zum Jahresende. no/dpa

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