KULTURGEFLÜSTER

Hurra, endlich eine positive Nachricht unter all den Tatarenmeldungen in Sachen Kultur-Abbau und Finanzkrise: Die Stadt Trier bekommt ein Philharmonisches Orchester. Doch, wirklich: Der Kulturausschuss hat gestern Abend unisono die entscheidenden Weichen gestellt.

Bis ins Jahr 1919 griff Kulturdezernent Ulrich Holkenbrink bei der Begründung zurück, als Trier trotz verlorenen Krieges und Inflation für drei großartige Jahre über ein eigenes Philharmonisches Orchester verfügte. "Es klingt einfach besser", sagte Holkenbrink. Er meinte den Namen, nicht die Musik. Die kollektive Zustimmung mag dadurch erleichtert worden sein, dass unten links auf der umfänglichen Verwaltungsvorlage drei magische Worte prangten: "Finanzielle Auswirkungen: keine". Des Rätsels Lösung: Das "Philharmonische Orchester der Stadt Trier" entpuppt sich bei näherem Hinsehen lediglich als neues Türschild für das bisherige "Städtische Orchester". Kein neuer Musiker wird eingestellt, kein renommierter Dirigent schwingt als Gast den Taktstock, das Repertoire bleibt auch das gleiche. Nur der Name wirkt schicker, wabert doch bei "Philharmonie" (zu Deutsch: "Freunde der Musik") immer ein gewisses Flair von Berliner Luft und Wiener Sachertorte durch den Orchestergraben. Man kennt das Prozedere aus anderen Sparten: "Raumpflegerin" klingt netter als "Putzfrau", und "Junior Sales Manager" kommt entschieden bedeutsamer rüber als "Hilfsverkaufsassistent". Und wenn man schon kein Geld hat, um jemanden besser zu bezahlen, kann man ihn wenigstens semantisch in die nächst höhere Preisklasse befördern - völlig kostenneutral. Freilich ist der Premium-Qualität suggerierende Begriff nicht geschützt, und so firmiert inzwischen jedes Elbland-Orchester Riesa und jedes Vogtland-Ensemble Greiz/Reichenbach stolz als Philharmoniker. Da mochten die Trierer wohl nicht mehr ganz so nackt und bloß als schmucklos-schnöde "städtische" Kapelle in der deutschen Klangkörper-Landschaft herumstehen. Und in der unteren Mittelklasse, wo sich die C-Orchester tummeln, brauchen sie sich sicher vor niemandem zu verstecken. Ein Problem harrt freilich nun dringend der Lösung: Ordentliche Philharmoniker brauchen eine Philharmonie. Und die fehlt in Trier. Aber für eine findige Stadtverwaltung dürfte sich das preiswert regeln lassen. Zum Beispiel durch Umbenennung. Die Arena hat schließlich noch keinen Namen. Noch mehr Charme hätte die Um-Taufe der Aula des Hindenburg-Gymnasiums auf "Philharmonie am Rathaus". Das würde nicht nur den Kulturdezernenten, sondern auch den Schuldezernenten freuen. Und unten links könnte man wieder auf die Vorlage schreiben: "Finanzielle Auswirkungen: keine". Dieter Lintz

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