Kunstgeschichte(N)

Moritz sitzt am Schreibtisch und zeichnet Dreiecke, Rechtecke und Kreise in sein Matheheft. Anschließend malt er sie sorgfältig gelb, rot und grün aus.

 „Kreis mit Schatten“ hat Jan Meyer-Rogge dieses Kunstwerk genannt. Es ist zurzeit im Stadtmuseum in Trier zu sehen. TV-Foto: Eva-Maria Reuther

„Kreis mit Schatten“ hat Jan Meyer-Rogge dieses Kunstwerk genannt. Es ist zurzeit im Stadtmuseum in Trier zu sehen. TV-Foto: Eva-Maria Reuther

Moritz ist bei Onkel Fritz zu Besuch. Onkel Fritz arbeitet in einem Museum und hat immer mit Kunst zu tun. Hinter seinem Schreibtisch hängt auch ein Bild mit Dreieck an der Wand. Onkel Fritz schaut in Moritz Heft. "Das ist ja konkrete Kunst", ruft er begeistert. "Nein", widerspricht Moritz und sieht Onkel Fritz ganz streng an. "Das ist keine Kunst, das ist Geometrie." "Sag ich doch", erwidert Onkel Fritz beleidigt. Beide haben recht. Natürlich haben Moritz\' Geometrieaufgaben nichts mit Kunst zu tun. Aber tatsächlich gibt es eine Kunst, die ihre Bilder aus geometrischen Formen zusammensetzt und gestaltet. Diese Kunst heißt "Konkrete Kunst". Sie entstand vor fast 90 Jahren. Damals hatten einige Künstler einfach keine Lust mehr, zu malen, was man in der Natur sieht, wie ein Pferd oder ein Haus oder einen Baum. Sie wollten etwas malen, was gar nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat. So kamen sie auf die geometrischen Formen wie Kreis, Dreieck und Rechteck. In der Natur gibt es keine rechten Winkel oder strenge Dreiecke und Kreise. Das einzige, das die Künstler außer den Formen noch erlaubten, war Farbe. Durch die Farbe sahen die Formen immer wieder anders aus. Ein ernstes schwarzes Dreieck sieht nun mal anders aus als ein fröhliches gelbes. Während Moritz und Onkel diskutieren, scheint die Sonne auf das Dreieck an der Wand und wirft einen langen Schatten. "Guck mal, jetzt sind zwei Dreiecke an der Wand", ruft Moritz. Genau so etwas hat die Konkreten Künstler auch interessiert. Deshalb haben sie ihre Kreise, Rechtecke und Dreiecke so an die Wand gehängt oder wie Bauklötze in den Raum gestellt, dass sie Schatten warfen und so neue Bilder entstanden. Auf Dauer wurde es den Künstlern langweilig, immer nur bunte Formen aneinander zu fügen. Und da die geometrischen Formen schon ganz früher die Form der Philosophen war (das sind gelehrte Leute, die sich über die Welt Gedanken machen), fingen auch die Künstler an, in ihren bunten Kreisen, Dreiecken und Rechtecken eine ganz neue Welt zu sehen und zu bauen. Das ist überhaupt nicht abgedreht. Alle Kinder tun das, wenn sie mit ihren Bauklötzen bauen. Heutige konkrete Künstler interessieren sich auch noch für andere Sachen: Sie lassen zum Beispiel aus einem hohlen Würfel die Luft heraus, um zu zeigen, wie sich die geraden Linien verändern. Das kann man gut mit einer Luftmatratze selbst ausprobieren. Wer konkrete Kunst sehen will, kann das zurzeit übrigens prima im Simeonstift in Trier tun. Eva-Maria Reuther

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