Kurzkritik: OPL und Baiba Skride in Luxemburg

Es war eine Luxemburger Erstaufführung, und was für eine! Alexander Zemlinsky hat mit der dreisätzigen Orchesterfantasie "Die Seejungfrau" von 1902/03 eine ungemein fesselnde Musik geschrieben. Sie versenkt sich zart und lyrisch ins Detail und entfaltet dann wieder Höhepunkte wie im Rausch.

Zemlinskys Fantasie ist keine Programmmusik. Der Komponist benutzt Andersens Märchen als Inspirationsquelle für die weit gespannten Entwicklungen und seine perfekt realisierte "musikalische Prosa". Erstaunlich, dass diese Komposition so lange vergessen blieb. Unter Emmanuel Krivines ungemein engagiertem Dirigat lief das Orchestre Philharmonique (OPL) vor rund 1000 Philharmonie-Besuchern zu Höchstform auf. Holz, Blech, Schlagwerk und Streicher brillierten, und Konzertmeister Philippe Koch glänzte in seinen zahlreichen Soli. Zemlinskys Fantasie entwickelt sich so zum wunderbaren, groß angelegten, sinfonischen Epos. Gegenüber diesem klingenden Monument geriet Beethovens Violinkonzert beinahe ins Abseits. Bei Krivine und seinem Orchester klang die Dramatik des Werks klobig und zusammenhanglos. Solistin Baiba Skride glänzte zwar in feinfühlig musizierten Details. Aber sie realisierte nur selten weit ausgreifende Entwicklungen, ihre Intonation war zudem nicht immer lupenrein. Vielleicht hatte Zemlinskys Riesenwerk einfach zu viel Interpretenenergie abgezogen. Martin Möller

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