Wittlich Laberköpfe, Pfeifen, schräge Vögel - Sven Regener überzeugt mit Lesung in Wittlich

Wittlich · Kultautor Sven Regener liest im Rahmen des Eifel-Literatur-Festivals vor 600 Zuhörern in ausverkaufter Schulaula in Wittlich und begeistert das Publikum.

Schade, hätte sie einfach mal mitbringen und ausprobieren sollen. Wie in seinem Roman „Wiener Straße“, wo H.R. Ledigt (Man achte auf die korrekte Aussprache) damit für Aufsehen und die ein oder andere absurde Szene sorgt. In der Kreuzberger Kneipe in den späten 1980ern, wo sich natürlich auch P. Immel (ja, die Aussprache), Karl Schmidt und der große Antiheld Frank Lehmann aufhalten. Aber auch mit dem Tapeziertisch und dem großen Baum am Straßenrand, der später Bestandteil von Aktionskunst wird.

Hätte er doch auch mal machen können. Auf der Bühne des Cusanus-Gymnasiums in Wittlich. Hätte bei den 600 Besuchern seiner Lesung im Rahmen des Eifel-Literatur-Festivals in der ausverkauften Aula bestimmt für ein Aha-Erlebnis gesorgt. Und gelacht hätten sicher auch viele – wenn auch eher in den hinteren Reihen. Aber immerhin. Wäre auf jeden Fall mal was anderes gewesen. Und der Kultautor, dessen Durchbruchsroman von 2001, Herr Lehmann, inzwischen 1,5 Millionen mal verkauft und in 20 Sprachen übersetzt worden ist, wäre noch kultiger geworden.

Wo er schon seine Gitarre zu Hause oder im Tonstudio in Berlin gelassen hat, da er dieses Jahr ja eher auf Musik machen will mit seiner Band Element of crime, mit der er bereits seit über 30 Jahren musiziert.

Aber nix da. Weder Motorsäge noch Gitarre! Hätte er aber wirklich mal machen können. Vielleicht haben ja die Gäste in Lübeck oder in so einem österreichischen Kaff mehr Glück, wo er dieses Jahr ja dann doch auch noch lesen will. War also auch nichts mit der einzigartigen Lesung in Wittlich. Wie zuvor großspurig angekündigt.

Aber jetzt mal langsam. Ist zwar schade, dass er weder Saiten- noch Ketteninstrument dabei- und zum Einsatz gebracht hatte (Vielleicht hatte er sie ja dabei, sich nur nicht getraut, sie auszupacken. Oder es ist ihm gar untersagt worden!). Einzigartig war die Lesung von Sven Regener aber zugegebenermaßen auch so. Es hatte schon was, wie er da gestikulierend, wild fuchtelnd, sich bewusst die Brille zurechtrückend das von ihm Vorgetragene unterstrich, wie er den ausufernden und zumeist sinnfreien Gedankenfluss seiner schrullig-skurrilen Protagonisten (Laberköpfe, Pfeifen, schräge Vögel, Lebens- und Aktionskünstler) mit Einschüben, neuen Ideen, Abschweifungen, Nebenaspekten, Geistesblitzen und Wiederaufnahmen übers Publikum ergoss und dabei gedanklich viele Kommas und so manchen Gedankenstrich setzte und erst, als auch alles gesagt war, einen Punkt machte. Luft holen, Sprudel trinken, Applaus genießen, kurz erholen und weiter geht’s. Gemäß des Mottos einer seiner Darsteller: „Flach die Atmung, tief der Gedanke!“ Die Atmung vieler Gäste indes setzte bei dem gut anderthalbstündigen Rede- und Gedankenschwall des Kultautors zeitweise immer wieder mal aus – vor Gelächter. Hingegen bewiesen Regner und viele seiner treuen Fans auch nach dem Vortrag noch sehr langen Atem: Vom Halleneingang bis zur Bühne reichte die Schlange derer, die sich von Sven Regner Bücher signieren lassen wollten. Zumindest einen Stift hatte er dabei. Er hätte aber auch wirklich mal...

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