Lachen als Waffe der Wehrlosen: Ausstellung "Alles meschugge" in Trier zeigt Facetten des jüdischen Humors

Trier · Der jüdische Humor ist etwas Einzigartiges. Er ist scharfsinniger, tiefer und zuweilen auch bitterer als der Witz anderer Kulturen. Über Jahrhunderte war er auch eine wichtige Waffe im Kampf ums Überleben. Eine Ausstellung des Jüdischen Museums Wien informiert jetzt in den Trierer Viehmarktthermen über die Kulturgeschichte des jüdischen Witzes.

 Jüdischer Humor prägt zum Beispiel das moderne Kino und Fernsehen. Was diesen besonderen Witz ausmacht, das demonstriert zurzeit die Trierer Schau „Alles meschugge“. Fotos (2): Generaldirektion Kulturelles Erbe/Eva-Maria Reuther

Jüdischer Humor prägt zum Beispiel das moderne Kino und Fernsehen. Was diesen besonderen Witz ausmacht, das demonstriert zurzeit die Trierer Schau „Alles meschugge“. Fotos (2): Generaldirektion Kulturelles Erbe/Eva-Maria Reuther

Foto: (g_kultur

Trier. Humor ist bekanntlich, wenn man trotzdem lacht. Kaum irgendwo wird das so deutlich wie im jüdischen Witz. Über sich selbst und die Unbilden und Absurditäten des Lebens und der Verhältnisse zu lachen, gehört seit jeher zum jüdischen Leben und immer wieder auch zum Überleben.

Im jüdischen Witz lacht die Bitterkeit eines über Jahrhunderte verfolgten Volkes. Sigmund Freud, der als Vater der Psychoanalyse schon von Berufs wegen immer tiefer blickte, hat es auf den Punkt gebracht. "Der Witz ist die letzte Waffe der Wehrlosen", schrieb er in seinem Buch "Der Witz und sein Verhältnis zum Unbewussten". Ähnlich wie im Traum schafften sich Angst, Ohnmacht, Verzweiflung und Verdrängtes im Witz ihr Ventil und ihr eigenes Bild, stellte der österreichische Psychiater fest, selbst Jude und erfahren im Umgang mit Anfeindung, Verfolgung und Bedrohung.

Schwarz und zynisch kommen jüdische Witze nach dem Holocaust bisweilen daher. Allerdings stellen sich in ihnen auch neben Selbstironie und nüchterner Weltkenntnis, Warmherzigkeit und Scharfsinn dar. Schließlich gehören Heiterkeit, Humor und Wortwitz zum Wesen der jüdischen Kultur. Die machen auch nicht vor dem Umgang mit der Religion halt. "Gott freut sich, wenn wir fröhlich sind", antwortet Paul Chaim Eisenberg auf die Frage, ob man über Gott lachen darf. Der Wiener Oberrabbiner kommt in der Ausstellung "Alles meschugge" in den Trierer Viehmarktthermen zu Wort. Allerdings schränkt der freundliche Gelehrte ein: Es sei nicht unbedingt das Ideal des Humors, über andere Menschen zu lachen. Die umfassende Schau des Jüdischen Museums in Wien führt aufschlussreich in das Wesen des jüdischen Witzes ein, stellt wichtige jüdische Satiriker und Kabarettisten vor und gibt einen Überblick über seine Entstehungs- und Wirkungsgeschichte von den Anfängen in Osteuropa bis heute.Hochphase zwischen Kriegen

Lachen als Waffe der Wehrlosen: Ausstellung "Alles meschugge" in Trier zeigt Facetten des jüdischen Humors
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"Meschugge" (das Wort kommt aus dem Jiddischen und bedeutet verrückt), wie der Titel der Schau vermutet, ist in der präsentierten geballten Ladung Humor niemand. Allenfalls sind es die Verhältnisse, gegen die Schriftsteller wie Heinrich Heine oder Kurt Tucholsky ihren "subversiven Kampf ums Dasein" führen.
Eine Hochblüte erlebte der jüdische Witz in den Kabaretts, Revuen und Filmen in Berlin und Wien in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen. Soziales, Politisches oder Philosophisches: Fritz Grünbaum, Erich Hollaender oder Karl Farkas nahmen mit anderen treffsicher und höchst unterhaltsam ihre Zeit aufs Korn. Nicht zu vergessen der Wiener Karl Kraus, der vielleicht bissigste Kulturkritiker aller Zeiten. "Ich bin der Vogel, den sein Nest beschmutzt", schrieb er bitter. Die hellsichtige Unterhaltungskultur, die dem Unheil ins Gesicht lachte, war dem aufkommenden NS-Regime von Anfang an ein Dorn im Auge. Gnadenlos wurden ihre Stars verfolgt, ermordet, in Konzentrationslager verschleppt und in die Emigration gezwungen. Was in Berlin mit den Nazis zu Ende ging, konnte im Nachkriegs-Wien Jahre später mit Künstlern wie Georg Kreisler oder Hugo Werner neu belebt werden.
Gelacht wurde auch im amerikanischen Exil. Zudem schlägt die Schau eine Brücke zur amerikanischen jüdischen Gegenwartskultur in Film und Fernsehen mit Woody Allen, Billy Wilder oder der umwerfend komischen "Nanny" aus der gleichnamigen Sitcom.
Wer gleich vor Ort ein paar jüdische Witze hören will, dem werden sie an einer Videostation erzählt. Eine Kostprobe: "Sag mal, Sami, hast du aus Liebe oder aus Vernunft geheiratet?" "Das Geschäft aus Liebe, die Frau aus Vernunft."
Bis 30. August, täglich 9-17 Uhr, Telefon: 0651/9941057,
www.gke-rlp.de . Am Freitag, 14. August, 19 Uhr, wird im Rahmen der Schau ein Abend rund um Georg Kreisler gestaltet.

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