Lackfolien-Engpass Wie ein Feuer in Kalifornien die Schallplatten-Welt verändert

Kalifornien/Berlin · Nur zwei Firmen weltweit produzieren Lackfolien, die für die Vinyl-Herstellung benötigt werden. Bislang, denn eines der Unternehmen ist abgebrannt. Das hat Folgen für alle Platten-Fans.

 Die Herstellung der Schallplatte ist ein aufwendiger Prozess, an dessen Anfang eine Lackfolie steht. Weil einer der beiden Hersteller abgebrannt ist, werden diese knapp. Das hat Folgen für den gesamten Markt.

Die Herstellung der Schallplatte ist ein aufwendiger Prozess, an dessen Anfang eine Lackfolie steht. Weil einer der beiden Hersteller abgebrannt ist, werden diese knapp. Das hat Folgen für den gesamten Markt.

Foto: optimal media GmbH/Marc Wiegelmann

Die Schallplatte erlebt in den letzten Jahren einen Aufschwung. Seit 2012 sind die Verkaufszahlen durchgehend gestiegen, mit einer kleinen Ausnahme im Jahr 2019. Wurden 2009 nur eine halbe Million Schallplatten verkauft, waren es 2018 3,1 Millionen. Von Januar bis einschließlich September gingen 2,17 Millionen Platten über die Theke. Mitten in dieser Rückkehr des Tonträgers erschüttert ein Feuer in Kalifornien die Vinyl-Welt.

Was ist passiert? Es ist der vergangene Freitag in der kalifornischen Gemeinde Banning. Lokale Medien berichten von einem Feuer in einer großen Fabrik. Schnell wird klar: Das Werk von Apollo Masters brennt. 82 Einsatzkräfte löschen den Brand, glücklicherweise wird niemand verletzt. „Wir sind momentan unsicher, was unsere Zukunft angeht“, gibt das Unternehmen später auf seiner Homepage bekannt. Das Werk brennt komplett nieder.

Wieso ist Apollo Masters so wichtig? Eine schwere Zeit könnte auch der Schallplatten-Industrie bevorstehen. Denn das Unternehmen aus Kalifornien stellt Lackfolien her, die für die Produktion einer Langspielplatte benutzt werden (Genaueres dazu, siehe Extra).

Apollo Masters ist einer von nur zwei Herstellern weltweit, die diese Folien produzieren. Die Produktion und das gesamte Lager wurden vom Feuer zerstört. Der Marktanteil liegt bei bis zu 75 Prozent. Die anderen 25 Prozent werden vom japanischen Unternehmen MDC hergestellt.

Wieso gibt es nur zwei Hersteller? Wie Andreas Kohl, Senior Sales Manager des deutschen Plattenherstellers optimal media auf TV-Nachfrage erklärt, hat sich Apollo Masters diese Marktstellung in den letzten 30 Jahren aufgebaut.

Dass sie bis auf MDC fast ein Monopol auf die Lackfolien besitzen, hat mehrere Gründe. Laut Kohl sei es in den vergangenen Jahrzehnten einfach nicht notwendig gewesen, dass ein weiteres Unternehmen auf den Markt gekommen sei: „Die Nachfrage war gedeckt.“ Außerdem sei die Technologie komplex, um in diesen Markt einzudringen sei eine aufwendige Forschung notwendig.

Da mit hochgiftigen und explosiven Stoffen gearbeitet wird und dafür hohe Hürden bei der Gesetzgebung bestehen, sei es schwer, in diesen Markt hineinzukommen. Diesen Hürden müsste sich Apollo Masters bei einem Wiederaufbau ebenfalls stellen.

Welche Auswirkungen hat das Apollo-Masters-Aus auf andere Hersteller? Wie gesagt, es fallen mal so eben 75 Prozent der Lackfolien weg. Das zweite Unternehmen MDC signalisierte am Freitag, dass man nicht die Kapazitäten habe, um das aufzufangen. Für Andreas Kohl und optimal Media ist das zwar kein großes Problem, weil diese ihre Folien auch bei MDC bezogen haben. Kohl sagt aber, dieser Engpass könnte „den weltweiten Schallplattenmarkt durcheinanderwirbeln“. Künstler und Labels, deren Schneidestudios nun nicht mehr produzieren können, versuchen auf Studios auszuweichen, die MDC-Folien verwenden – ohne Erfolg, weil auch diese Studios an ihre Grenzen stoßen. Apollo Masters habe zwar immer gesagt, dass es einen Restbestand für solche Fälle gebe, der ein halbes Jahr überbrücken kann. Bestätigt wurde dieser bislang nicht.

Welche Folgen hat das für den Vinyl-Fan? Auch wegen Unklarheiten wie der über den Puffer, können die Folgen für den Markt nur schwer abgeschätzt werden. Zu rechnen ist laut Andreas Kohl allerdings mit Verzögerungen durch Lieferengpässe.

Wer sich wirtschaftlich etwas auskenne, der wisse auch, dass dadurch wohl die Preise steigen werden. „Das ist immer so, wenn ein Gut knapp wird“, sagt Kohl. Wann diese Preiserhöhung auftreten wird, hängt vom angesprochenen Puffer ab. Gibt es diesen Restbestand, dann könnte der Markt das für einige Monate vertragen. „Wenn nicht, dann kann es schon in zwei bis drei Wochen so weit sein“, sagt Andreas Kohl. Auch der Restbestand ist allerdings kein Allheilmittel, denn die Folien sind sensibel. „Da muss man auf die Qualität achten. Selbst wenn es die Folien gibt, ist nicht klar, ob man sie verwenden kann.“

Es ist also wahrscheinlich, dass die Schallplatte in den nächsten Monaten teurer wird – oder Bestellungen nur verspätet geliefert werden können.

Auch weitere Platten-Hersteller machen auf die Folgen für den Konsumenten aufmerksam. Gil Tamazyan, Gründer des kalifornischen Vinyl-Presswerks Capsule Labs spricht gegenüber des Billboard-Magazins von großen Problemen: „Wenn nicht schnell etwas passiert, dann wird es bald ein Vinylgeddon geben.“

Der Ausfall von Apollo Masters kommt außerdem zu einer ungünstigen Zeit. Gerade hatte sich die Industrie auf die steigenden Verkaufszahlen eingestellt, Engpässe bei Personal und Maschinen wurden behoben. „Das ist das Allerletzte, was die Industrie jetzt gebrauchen kann“, sagt Andreas Kohl. Er sagt aber auch: „Der Markt ist das Überwinden von Krisen gewohnt.“

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