Lärmschutz vor Kunstgenuss

Am Montag wird in Trier mit großem Aufgebot das Programm für den "Römischen Sommer" vorgestellt. Doch die Zukunft großer Veranstaltungen in den antiken Stätten ist ungewisser als je zuvor. Vor allem die künftige Nutzung des Amphitheaters wirft Fragen auf.

 Typisch trierische Kultur-Koordination: Die Bühne ist in die eine Richtung gebaut, die Ränge in eine andere. TV-Foto: Archiv/Roland Morgen

Typisch trierische Kultur-Koordination: Die Bühne ist in die eine Richtung gebaut, die Ränge in eine andere. TV-Foto: Archiv/Roland Morgen

Trier. Seit Rechts-Experten festgestellt haben, dass Triers für Veranstaltungen beliebteste Antiquität in einem reinen Wohngebiet liegt, rätselt man nicht nur im Rathaus über die Frage, was man dort überhaupt noch darf. Maximal zehn bis zwölf Veranstaltungen pro Jahr seien möglich, hieß es im Kultur-Ausschuss - so viel müssten die Anwohner als "seltene Ereignisse" dulden. Dabei seien allerdings auch Generalproben einzurechnen. Beim Eigentümer "Burgen, Schlösser, Altertümer" (BSA) geht man dagegen derzeit noch von 15 bis 17 genehmigungsfähigen Veranstaltungen aus - ohne Proben.

Brot & Spiele und Konzerte im rechtsfreien Raum?

Der Unterschied ist nicht unbedeutend. Allein die Antikenfestspiele haben in diesem Jahr acht Abende anberaumt, und das ist noch recht bescheiden. Rechnet man drei Generalproben hinzu, ist das Kontingent schon aufgebraucht. Das beliebte "Brot und Spiele" und zuschauerträchtige Open Airs wie "In Extremo" fänden dann schon im rechtsfreien Raum statt. Nach BSA-Lesart ist man dagegen rechtlich noch auf der sicheren Seite.

Der Stadt ist jegliches öffentliches Aufsehen um die Genehmigungsfrage unlieb. Für 2008 sei alles in trockenen Tüchern, und man wolle "keine schlafenden Hunde wecken", heißt es im Rathaus. Eine Strategie, die nicht aufgehen kann, weil demnächst wichtige Entscheidungen über die langfristige Entwicklung des Amphitheaters auf der Agenda stehen. Soll dort auf Dauer eine Festspiel-Stätte bleiben, sind erhebliche Investitionen erforderlich: Infrastruktur, Umkleidemöglichkeiten, Catering, Wetterschutz. Undenkbar, dass das Land als Eigentümer einen müden Euro lockermacht, wenn der Bebauungsplan am Ende gar keine effiziente Nutzung zulässt.

Hausherr Thomas Metz, seit kurzem Generaldirektor für das kulturelle Erbe in Rheinland-Pfalz, hat ohnehin schon seit langem deutlich gemacht, dass er Oper und Schauspiel eher vor den Kaiserthermen sieht, mit einer neuen, großen Tribüne auf der Palaestra. Die Stadt hat sich mit diesem Vorschlag noch nie ernsthaft auseinandergesetzt - unklug, denn ohne das Land geht nichts. Man will die Festspiele im Amphitheater halten, sagt aber nicht, was aus den anderen Veranstaltungen werden soll. Eines scheint aber klar zu sein: Die Chance, den Bebauungsplan und damit die Rechtsgrundlage zu ändern, geht gegen Null.

Die Kulturmacher zahlen die Zeche für planungspolitische Fehler Mitte der 90er Jahre. Der Bau repräsentativer Stadtvillen oberhalb des Amphitheaters ließ damals die Wogen hochschlagen. Die Wohnungen in unmittelbarer akustischer Nähe seien "der Tod des Amphitheaters als Veranstaltungsort", prognostizierte seinerzeit das hellsichtige "Trier-Forum". Doch der Stadtvorstand schlug die Warnungen in den Wind.

Das Rathaus überlegt nun, möglichen Anwohner-Klagen mit einem Lärmgutachten zu begegnen. Ob daraus mehr Rechtssicherheit resultiert, steht in den Sternen. So muss man weiterhin Jahr für Jahr mit umständlichen Einzel-Gestattungen operieren. Die dringend notwendige Langfrist-Planung wird so zur Unmöglichkeit. Während die meisten Festivals im letzten Monat auf der Berliner ITB ihre Programme für 2009 vorstellten, weiß man in Trier nicht einmal, wo im übernächsten Sommer die Festspiele überhaupt stattfinden. Als Moselmusikfestival-Macher Hermann Lewen kürzlich bei der Stadt wegen eines gigantischen internationalen Chorfestivals im August 2009 anfragte, konnte niemand sagen, ob im Amphitheater eine Tribüne existieren wird.

Nicht die einzige Baustelle in Sachen Nutzung der Antike. Als es im letzten September Ärger um einen städtischen "Kultur-Gipfel" zur Vermarktung der römischen Stätten gab, weil Kulturmacher wie Lewen, "Brot und Spiele"-Organisator Ronald Frank und Promoter Ingo Popp nicht eingeladen waren, versicherte OB Klaus Jensen persönlich, es werde demnächst einen zweiten Schritt im erweiterten Kreis geben.

Ein halbes Jahr später ist nichts passiert. Stattdessen ließ die Stadt im Marketing-Arbeitskreis der Initiative Region Trier mitteilen, ein gemeinsames Dach für den "Erlebnissommer römisches Trier" sei für sie kein Thema. Offenbar besteht kein Interesse daran, andere mit ins Boot zu nehmen.

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