Leben im Jahr 1636: Ausstellung im Landesmuseum über den Alltag im Dreißigjährigen Krieg

Trier · Knochen verraten mehr als manches Tagebuch. Die Schädel und archäologischen Schätze, die ab April im Landesmuseum zu sehen sind, erzählen die Geschichte einfacher Soldaten und ihrer Familien im Dreißigjährigen Krieg.

 So manch tödlicher Schlag wurde im Dreißigjährigen Krieg mit einer Hellebarde ausgeführt (oben links). Der Schädel stammt aus einem Massengrab, an dessen Untersuchung Sabine Eickhoff (links) beteiligt war. Sie ist Kuratorin einer neuen Ausstellung im Landesmuseum, bei der auch Piken und Musketenmunition zu sehen sind.Fotos: Katharina Hammermann, Landesmuseum Wünsdorf

So manch tödlicher Schlag wurde im Dreißigjährigen Krieg mit einer Hellebarde ausgeführt (oben links). Der Schädel stammt aus einem Massengrab, an dessen Untersuchung Sabine Eickhoff (links) beteiligt war. Sie ist Kuratorin einer neuen Ausstellung im Landesmuseum, bei der auch Piken und Musketenmunition zu sehen sind.Fotos: Katharina Hammermann, Landesmuseum Wünsdorf

Trier. Die Höfe sind zerstört, die Felder niedergebrannt, die Familien von der Pest dahingerafft. Und so zieht es unzählige junge Männer trotz all des Tötens in die vielen Kriege, die zwischen 1618 bis 1648 in Europa wüten. Auch Peter Hagendorf wird zum Söldner, nachdem er seine letzten Münzen verzecht hat. Aus seinem Tagebuch weiß man: Fast 25 000 Kilometer legt er in 25 Jahren zu Fuß zurück, hungernd, prassend und plündernd. Er tötet, blutet aus Schusswunden, wird zum Zeugen von Hexenverbrennungen und zeugt mit drei Frauen 14 Kinder. Am Ende des Dreißigjährigen Krieges lebt nur noch eines.Söldner, Frauen, Kinder


Menschen wie diese sind es - einfache Söldner, ihre Frauen und ihre Kinder -, die im Zentrum einer neuen Ausstellung stehen, die vom 17. April bis zum 18. Oktober im Rheinischen Landesmuseum in Trier zu sehen sein wird. "1636 - Ihre letzte Schlacht" ist der Titel der Schau, deren Ausgangspunkt das größte Massengrab aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges ist. Entdeckt wurde es 2007 im brandenburgischen Wittstock.
Was bitte hat das mit Trier zu tun? "Es ist nur ein Zufall, dass das Massengrab in Brandenburg gefunden wurde", sagt Sabine Eickhoff, Kuratorin der Ausstellung. Genauso gut hätte es in der Region liegen können - denn auch rund um Trier tobte der Krieg. Und die Geschichten, die die 125 Skelette den Forschern über das Leben und Sterben in jenen 30 blutigen Jahren erzählt haben, seien für ganz Europa repräsentativ.
Aber gehört ein Massengrab, das doch ein Zeugnis würdelosen Sterbens ist, ins Museum? Die Kuratorin hat diese Frage mit Nein beantwortet. Ganze Skelette gibt es in Trier daher nicht zu sehen. Einzelne zertrümmerte Schädel und lädierte Knochen hingegen schon, ebenso wie Goldschätze, Waffen, Karten, ausführliche Texttafeln für Geschichtsinteressierte, interaktive Grafiken oder Videos - in Räumen, die mal einem Dorf und mal einem Feldlager nachempfunden sind. Folgende Fakten lehrt ein erster Rundgang durch die noch unfertige Ausstellung:
Zähne verraten, wo man lebt: Da Mineralien aus der Nahrung in den Zähnen eingebaut werden, konnten Forscher mittels von Isotopenuntersuchungen feststellen, aus welchem geologischen Untergrund die Stoffe stammten. Die Nationalität von 30 Opfern aus dem Massengrab konnte so festgestellt werden: Schotten lagen neben Italienern, Esten oder Schweden, darunter waren zehnjährige Kinder. Forensiker haben einen Schotten für die Schau mittels seines Skelettes lebensecht rekonstruiert.
Syphilis, Flöhe und Wanzen waren Alltag: Die Knochen der Söldner zeigen, wie schlecht es ihnen ging. 15 der 125 Soldaten hatten Syphilis im Endstadium. Wanzenstiche führten zu Knochenhautentzündungen, fast alle Söldner hatten kaputte Rückenwirbel, einem fehlte gar das Oberarmgelenk. "Sie waren trotzdem in der Schlacht", sagt die Kuratorin.
Piken und Musketen sind unhandlich: Musketenschüsse endeten wegen der dicken Bleikugeln zwar oft tödlich. Allerdings dauerte es zwei Minuten, einen Schuss zu laden. Auch waren die Waffen so lang, dass die Musketiere Stützgabeln benötigten. Besucher können testen, wie anstrengend es war, eine mehrere Meter lange Pike zu halten.
Auch Trier war betroffen: Neben den Exponaten aus Brandenburg werden im Landesmuseum ergänzend Exponate zu Ereignissen in Trier um das Jahr 1636 zu sehen sein: Es geht um die Gefangennahme des Trierer Kurfürsten, die den weiteren Kriegsverlauf - bis hin zur Schlacht von Wittstock - beeinflusste, die letzten Lebensjahre von Friedrich Spee, dem mutigen Anwalt gegen die Hexenverfolgung, sowie Not, Pest und Tod in diesen Kriegsjahren.Extra

Der Dreißigjährige Krieg ist eine Phase, in der verschiedene Dynastien, Länder und Religionen um die Vorherrschaft in Europa kämpften: Protestanten gegen Katholiken, Habsburger gegen Bourbonen, Schweden gegen Dänen. Die Truppen waren fast in ganz Europa unterwegs - kämpfend, mordend und brandschatzend. Große Teile Deutschlands wurden in dieser düsteren Zeit verwüstet. Fast ein Drittel der Bevölkerung fiel den Kriegen oder Seuchen wie der Pest zum Opfer. kah

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