Lebendige Steine mit Seele und Gestalt

WITTLICH. Kopflastig, aber sehr sehenswert ist die jüngste Schau des Wittlicher Georg-Meistermann- Museums. Dort zeigt der Bildhauer Jürgen Waxweiler Arbeiten aus den Jahren 1998 bis heute.

Zwei mächtige Köpfe blicken sinnend ins Weite. Die beiden bemoosten Sandstein-Häupter vor dem Wittlicher Georg-Meistermann-Museum bilden die Vorposten zur aktuellen Werkschau von Jürgen Waxweiler. Mit Köpfen aller Art (nebst zugehörigen Bildhauerzeichnungen) geht es auch im Innern des Hauses weiter. "Das Porträt hat mich immer besonders gereizt", bekennt der in Traben-Trarbach lebende Künstler. Der 1962 in Wittlich geborene Mann mit dem nachdenklichen Blick ist durch und durch Bildhauer. Den handwerklichen Umgang mit dem Stein lernte er zunächst in einer Steinmetzlehre. Schon damals mag er empfunden haben, was er heute so beschreibt: "Meine Hände sind sinnliche Werkzeuge." Später - im Studium an den Kunstakademien von München und Dresden - setzte er sich intensiv mit der Idee des Bildes und ihrer bildhauerischen Gestaltung auseinander. "Der Mensch träumt nicht nur die eigenen sondern auch die Erfahrungen seiner Vorfahren." Wer Jürgen Waxweilers Kopf-Gesellschaft, seine Götter, seine "Nächtlichen Besucher", seine genetischen Kopf-Unfälle oder seine Tiermenschen sieht, wird dem Psychoanalytiker Sigmund Freud Recht geben. Und auch Waxweiler gesteht, dass er die eigenen Traumwelten und Erfahrungen, ob erlebt, überliefert oder in Albträumen erworben, in seinem Werk auslebt und überformt. Er setzt keine Form, er befreit Form

Unter den Sandstein-Arbeiten stellen die "Götterköpfe" die zentrale Gruppe. Auf den ersten Blick mögen die steinernen Skulpturen an die Götterbilder antiker und noch früherer Kulturen erinnern. Gleichwohl - mit jenen frühen Darstellungen sind Waxweilers Skulpturen nicht artverwandt. Anders als seine antiken Kollegen bedient sich der Trarbacher Bildhauer nicht des Steins, um die Illusion einer göttlichen Gestalt zu erzeugen. Für Waxweiler ist der Stein ein eigenständiger lebendiger Organismus. Was er darin an Gestalt, Seele und Leben ahnt, fördert er mittels Fantasie, Erfahrung und Werkzeug zutage.Waxweiler setzt keine Form, er befreit Form. Am eindrucksvollsten gelingt das dort, wo der Grenzgang zwischen unbehauener Urform und künstlerischer Einwirkung sichtbar bleibt. Zu den schönsten der Sandsteinarbeiten gehört die Gruppe der "Zwillingsköpfe" (Gemini). Die schmalen, durchgeistigten Doppelköpfe, die "aus einander entspringen", scheinen die uralte menschliche Grundfrage ins Bild zu setzen, ob die Idee vom Menschen denn mehr ist, als eine menschliche Kopfgeburt. Um die Frage nach menschlichem Ur- und Abgrund geht es auch andernorts. Was der graue Urschlamm des eigenen Unbewussten birgt, hat Waxweiler als "Nächtliche Besucher" oder als "Katzenmann", der ein Junges mit des Künstlers Zügen trägt, in ebenso grauen Beton gegossen. Von der Faszination des Anormalen handeln schließlich jene Kopf- Missbildungen, zu denen der Künstler beim Besuch einer medizinhistorischen Sammlung in Berlin angeregt wurde. Was Grauen auslösen sollte, wandelt sich unter Waxweilers malerischer Oberflächenbearbeitung zur Poesie. Am ausdrucksstärksten: ein nach hinten geworfener Kopf, dessen Mund sich zur stummen Klage öffnet. Waxweiler: "Köpfe". Bis zum 30. April im Georg-Meistermann Museum Wittlich, Öffnungszeiten: di-frei 10 bis 12 und 14 bis 17 Uhr, sa, so, feiertags 14 bis 17 Uhr, Telefon: 06571/14660

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