Leidenschaftliche Passion

Luxemburg · Emotional bewegend ist die Aufführung von Johann Sebastian Bachs Johannespassion am Sonntagmorgen in der Luxemburger Philharmonie gewesen. Unter der Leitung von Christoph Prégardien brachten der Nederlands Kamerkoor, das Barockorchester Le concert Lorrain und ein hochkarätiges Solistenensemble das Werk zu Gehör.

Luxemburg. Bachs Johannespassion, BWV 245, zählt zweifelsohne zu den Juwelen barocker Klangkunst. Die Verlagerung des normalerweise in Kirchen gespielten Meisterwerks in einen Konzertsaal mutet zunächst wie ein gewagtes Experiment an, scheint das Ambiente eines sakralen Raums doch von maßgeblicher Bedeutung für das Aufkommen der innig-religiösen Stimmung zu sein, die ein solches Werk ausströmen soll.
Der musikalische Leiter, Christoph Prégardien, bewies dem Publikum am Sonntagmorgen in der Luxemburger Philharmonie das Gegenteil: In seiner Interpretation stellt er vor allem den opernhaft-dramatischen Aspekt des Werks in den Vordergrund. Dabei leistete Prégardien, der sich als Sänger über viele Jahre hinweg mit dem Werk befasst hat, eine selten in dieser Form erlebte, lebendige Textausdeutung. Hierfür erlaubte er sich, vor allem in den Chören, manche Freiheit im Bezug auf Phrasierung, Tempo und Balance. Was einem Puristen eventuell zu weit gegangen wäre, erweckte Bachs Musik jedoch in einer derart ehrlichen und unprätentiösen Form zum Leben, dass der Hörer alle Gefühlsnuancen, von Erregung bis zur intimen Kontemplation, nachempfinden konnte. Die aus dem tiefen Glauben geschöpfte Inspiration Bachs wurde an diesem Sonntagmorgen förmlich greifbar.
Harmonierende Klangkörper


Mit dem lothringischen, auf historischen Instrumenten musizierenden Barockensemble "Le Concert Lorrain" und dem Nederlands Kamerkoor standen Prégardien zwei perfekt miteinander harmonierende Klangkörper zur Verfügung.
Nicht zuletzt durch die grandios besetzte Solistenriege wurde die Aufführung zu einem besonderen Erfolg: Yorck Felix Speer überzeugte durch seine warme, sonore Bassstimme in der Rolle des Christus. Der Countertenor Andreas Scholl, der Tenor Eric Stokloßa und die Sopranistin Ruth Ziesak verliehen ihren Arien einen differenzierten und von größter musikalischer Sensibilität zeugenden Ausdruck. Beinahe mit opernhaft-theatralischem Gestus gestaltete Dietrich Henschel die Partie des Pilatus und fügte sich somit hervorragend in Prégardiens künstlerisches Konzept ein. Besonders glänzte der britische Tenor James Gilchrist, der als Evangelist durch höchste technische Souveränität, eine hervorragende Diktion und eine geistreiche Ausdeutung des Bibelwortes bestach.
Bei einer solchen Qualität der musikalischen Darbietung erübrigt es sich, nach Makeln zu suchen: Wo die musikalische Botschaft so stimmig vermittelt wird, bleibt nichts außer dem Lob, das die etwa 1100 Zuschauer durch ihren herzlichen Beifall zum Ausdruck brachten.

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