Rezension Liebeswahn in der Großstadt

Da liegt er, mitten auf der Kreuzung, der inzwischen reichlich verhasste Ex. Vom Fahrrad geholt von einem zu schnellen SUV im Kreuzberger Kiez Berlins. Doch für Mitleid lässt Iris Hanika ihrer Protagonistin als zufälliger Beobachterin der Szene in „Echos Kammern“ keinen Raum.

 HANDOUT - 13.04.2021, ---: Cover des Buches «Echos Kammern» von Iris Hanika. Das Buch erscheint im Droschl Verlag. Das Buch steht in der Kategorie Belletristik auf der Shortlist für den Preis der Leipziger Buchmesse gesetzt. (zu dpa: «Reifer Liebeswahn im Großstadtgewirr - Iris Hanikas «Echos Kammern»») Foto: Droschl Verlag/dpa - ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung im Zusammenhang mit einer Berichterstattung die Leipziger Buchmesse und nur mit vollständiger Nennung des vorstehenden Credits +++ dpa-Bildfunk +++

HANDOUT - 13.04.2021, ---: Cover des Buches «Echos Kammern» von Iris Hanika. Das Buch erscheint im Droschl Verlag. Das Buch steht in der Kategorie Belletristik auf der Shortlist für den Preis der Leipziger Buchmesse gesetzt. (zu dpa: «Reifer Liebeswahn im Großstadtgewirr - Iris Hanikas «Echos Kammern»») Foto: Droschl Verlag/dpa - ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung im Zusammenhang mit einer Berichterstattung die Leipziger Buchmesse und nur mit vollständiger Nennung des vorstehenden Credits +++ dpa-Bildfunk +++

Foto: dpa/Droschl Verlag

Vor allem ist da schadenfreudige Gewissheit, „dass wahrgeworden war, was sie so oft sich gewünscht hatte: dass nämlich dieser Mann, der ihr die schönen Jugendjahre verdorben hatte, im Dreck vor ihr lag und verreckte.“

Hanika ist eine Meisterin solch schräger Szenen. Wie aus dem Nichts konfrontiert die in Berlin lebende Schriftstellerin ihre Figuren mit absonderlichen Ideen, verqueren Einschüben, intelligenten Anschlüssen. Die knapp 240 Seiten ihres fünften Romans sind voll geistreicher Ideen und Bezüge, die sie in immer wieder neue literarische Formen verpackt.

Die Geschichte ist gebaut um Ovids Mythos von der unmöglichen Liebe zwischen dem völlig ichbezogenen Halbgott Narziss und der ihm restlos verfallenen Nymphe Echo. Hanika jagt zwei alternde Frauen und einen bourgeoisen Jungspund durch den Mythos. Dass sie ihre Heldinnen Sophonisbe und Roxana nennt, scheint die beiden nebst ihren unerwarteten Gefühlen noch mehr dem Hier und Jetzt zu entrücken.

Doch diese Welt besteht aus den sehr gegenwärtigen Städten New York und Berlin – die inzwischen beide den Menschen über Gentrifizierung und Sozialprobleme entgegenschreien: „Not for you! Nur für die Reichen!“ Beim Himmel gibt es noch Unterschiede zwischen den Metropolen. In New York etwa muss Sophonisbe den Kopf nach oben drehen, um rechteckige Ausschnitte zu sehen. Das weite Berlin dagegen befinde sich „direkt im Himmel“.

 Hanika greift immer wieder auf neue literarische Formen zurück. Für die Schilderung des Unfalls von Sophonisbes Verflossenem etwa wechselt sie gar in Versform. Sophonisbe trifft in Berlin auf Roxana, die sich in geräumigem Großbürgertum auf dem Erfolg ihrer Ratgeber-Bücher ausruht. Hanika, mit 58 Jahren wohl etwa im Alter ihrer Protagonistinnen, verschafft den Frauen brutal offene, nachhaltig packende Dialoge. Natürlich taucht auch Josh hier auf, Roxana verliebt sich erschütternd banal in ihn. Am meisten hadert sie selbst mit sich, die mit Sex sowieso, aber auch mit den darum wabernden Gefühlen weitgehend abgeschlossen hatte. Und damit, dass sie nun „diesen ganzen Scheiß noch einmal erleben musste! Das Leben ist kein Ponyhof. Aber echt nicht.“ Gerd Roth, dpa

Iris Hanika, Echos Kammern, Roman, Literaturverlag Droschl, 240 Seiten, 22 Euro.

(dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort