Lemmy lässt den Donner rollen

Trier · Nicht nur das Christkind hat an Heiligabend Geburtstag. Ian Kilmister, die Welt der lauten Musik kennt und verehrt ihn seit 35 Jahren nur als Lemmy, wird am 24. Dezember 65 Jahre alt. Vorher hat der Brite mit seiner Band Motörhead die Arena noch mal schnell in ein akustisches Schlachtfeld verwandelt.

Trier. Der komplett in Schwarz gekleidete Mann mit Kinnbart und Doppel-Warze auf der linken Wange betritt die Bühne, hebt seinen Kopf ins wie immer schräg über ihm hängende Mikro und knurrt hinein. Wir sind Motörhead, und wir spielen Rock 'n' Roll. Das sagt Lemmy jedes Mal vor einem Konzert, deshalb verstehen ihn auch alle. Seine Stimme war immer schon eher zum Imitieren eines röhrenden Zweizylinders geeignet als zum Singen, und ein halbes Jahrhundert Bourbon und Nikotin haben diesen Effekt extrem verstärkt. Doch gerade diese Stimme ist eines der Alleinstellungsmerkmale einer Band, die Hard Rock und Heavy Metal seit deren Anfängen in den 70ern mitdefiniert und -geprägt und sich bis heute keinen Schritt von ihrem Stil wegbewegt hat. Eine Symbiose von Punk, Blues- und Hardrock, eine Art Hardcore-Rock 'n' Roll, der niemals von einer zweiten Band kopiert oder nachgeahmt wurde.

Lemmy hat schon einiges hinter sich. Seine Fans auch. Viele der 2400 Veteranen in der Arena haben graue oder gar keine Haare mehr und tragen Kutten mit Aufnähern aus den 80ern, jüngere Anhänger der lauteren Musik kommen mit Slipknot- und Limp-Bizkit-Shirts und werden milde belächelt. Ihr Kinder, denken die alten Herren. Aber bleibt ruhig bei uns, ihr lernt hier was.

Nachdem die Düsseldorfer Metal-Königin Doro Pesch die Fans mit Klassikern wie "Burning the Witches" und "All we are" angeheizt hat, leitet der Song "We are Motörhead" eine Show ein, die im 35. Jahr von Motörhead und im 65. Jahr von Lemmy Kilmister jenseits von Kategorien wie gut oder schlecht steht. Falls Lemmy mal ein paar Töne versemmelt, stört das niemanden. Wer Motör head 2010 erlebt, sieht und hört ein Konzert als Quintessenz einer Idee, ein auf 90 Minuten komprimiertes Kunstwerk, das realistische Bewertungen der Qualität zur Nebensache macht.

Keine letzten Zuckungen



Andererseits hat Lemmy es durchaus noch drauf. Die Songs des aktuellen Albums "The Wörld is yours", ein Beispiel ist "Get back in line", klingen wahrhaftig nicht nach letzten Zuckungen einer vergreisten Band. Gitarrist Phil Campbell, meistens ein braver Bandsoldat hinter seinem Boss, lässt manchmal ebenso kurze wie virtuose Soli aufblitzen, und Schlagzeuger Mikkey Dee wird mit angeleuchteter gelber Mähne wie das Tier aus der Muppet-Show inszeniert, wenn er ebenso wie diese zottelhaarige Puppe wie ein rasender Irrer auf seine Schießbude eindrischt.

Es sind natürlich die Klassiker, die jeder hören will. Sie kommen. "Overkill", der Titelsong des gleichnamigen Albums, war 1979 der kommerzielle Durchbruch der Briten. "Ace of Spades" kam ein Jahr später und ist heute einer der bekanntesten Rocksongs überhaupt. Der charakteristische Steptanz-Rhythmus rollt durch die Halle, getragen von Lemmys Bass.

Die Sicherheitskräfte vor der Bühne haben alle Hände voll zu tun, auf den Köpfen und Händen ihrer Mitstreiter surfende Fans aus der tobenden Masse rauszuziehen. Mit einem Piepen in den Ohren verlassen die Fans extrem gut gelaunt die Arena. Welch seltsame Dinge der Musikmarkt auch hervorbringen mag: Lemmy ist noch da.

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