Liebliche Ungeheuer und andere Kostbarkeiten

TRIER. George Alexander Albrecht, Generalmusikdirektor des Deutschen Nationaltheaters Weimar und einer der profiliertesten Dirigenten seiner Generation, stand am Mittwoch am Pult des Städtischen Orchesters.

 Interpretationen von überlegener Reife: Der Dirigent George Alexander Albrecht bei seinem Trierer Gastspiel.Foto: Willi Speicher

Interpretationen von überlegener Reife: Der Dirigent George Alexander Albrecht bei seinem Trierer Gastspiel.Foto: Willi Speicher

Hanseatenunter sich: Kein Wunder eigentlich, dass der gebürtige BremerGeorge Alexander Albrecht eine so glückliche Hand für die zweiteSymphonie des Hamburgers Johannes Brahms hat - auch wenn dem dieEinfälle zu seiner "Pastorale" nicht an der Waterkant, sondern1877 in der alpinen Sommerfrische von Pörtschach zugeflogen sind.Albrecht, jahrzehntelang Generalmusikdirektor in Hannover, hatsich nicht zuletzt durch seinen Einsatz für Hans Pfitzner und dieKompositionen Wilhelm Furtwänglers einen Namen gemacht. Dem auswendig dirigierenden Gast gelang es mit einer Mischung von Gelassenheit und Energie, in der D-Dur-Symphonie einen Spannungsbogen aufzubauen und bis zum Ende zu halten. Klarheit und Durchsichtigkeit, vor allem ein fein ausbalancierter Orchesterklang, prägten schon den Kopfsatz vom ersten, blitzsauber geblasenen Hornmotiv an. Vor allem war das "liebliche Ungeheuer", wie Brahms sein Opus 73 selbst nannte, durchzogen von feinnerviger Intensität. Im Laufe der vier Sätze, etwa in den melancholischen Streicherkantilenen, nahm das Musizieren auch an Schwerblütigkeit zu, um sich in der Stretta des Finales eruptiv zu entladen: Eine Interpretation von überlegener Reife.

Dass auch ein kompositorisch nicht ganz erstklassiges Stück zum packenden Musik-Krimi werden kann, hatten vor der Pause die beiden Solistinnen Eva Stegeman (Violine) und Krisztina Wajsza (Klavier) mit Felix Mendelssohn-Bartholdys Doppelkonzert für Klavier und Violine nebst Streichern vorgeführt. Freilich, wer wollte das nicht immer organische Verhältnis von Soli und Tutti und den episodischen Charakter etlicher Abschnitte schon ernstlich bemäkeln an dem talentvoll tastenden Versuch des 14-Jährigen! Einige der Qualitäten seiner späteren Instrumentalkonzerte kündigen sich schon hier an, etwa die beseelte Eleganz seiner Themen.

Sie kamen durch das höchst spannungsvolle Musizieren der Solistinnen mit dem Orchester, vor allem aber auch untereinander, vorteilhaft zur Geltung. Ausdrucksgeladen und zugleich seelenvoll meisterte die Rumänin den brillanten Klavierpart, während ihre holländische Partnerin die Violinstimme mit glutvoller und schlanker Tongebung verlebendigte. Zwei Virtuosinnen, die während des Spiels mit ihren Instrumenten zu verwachsen schienen, entfalteten da einen Dialog aus einem Guss: Getragen von Konzentration, hoher Musikalität und Temperament und so spannend, dass es im Theater mitunter knisterte.

Hans Werner Henzes "Telemanniana" hatte eingangs den Appetit auf das kulinarische Programm geweckt, ohne ihn mit fetter Speise vorschnell zu befriedigen. Könnerhaft hat der Komponist vor mittlerweile 35 Jahren ein Flötenquartett aus Telemanns fleißiger Feder für Symphonieorchester eingerichtet. Ohne sich dabei auf barockes Instrumentarium zu beschränken, gab er ihm ein zeitgemäßes, transparentes, gefälliges Gewand. Mit einem Violinsolo à la Vivaldi, brillant gespielt von Konzertmeister Petar Entchev, einer Fülle weiterer anspruchsvoller Soli sowie einer vom Kontrabass eröffneten Pas- sacaglia als Finale. Vielleicht nichts für dogmatische Anhänger historischer Aufführungspraxis, doch ein schwereloses Hörvergnügen für alle anderen.

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