Literatur Fremdes, namenloses Land

Lange Zeit bevor Henning Mankell mit der Krimi-Reihe um den stoffeligen Kommissar Kurt Wallander die Bücherregale füllte, trieb den Schweden ein anderes Thema um. Es zieht sich wie ein roter Faden durch das Gesamtwerk des 2015 gestorbenen Autors: Afrika. 1972 reist Mankell das erste Mal dorthin, verbringt zwei Jahre in Sambia. Unzählige seiner Bücher widmete er in den folgenden Jahrzehnten dem Kontinent, das Bekannteste dürfte wohl „Der Chronist der Winde“ von 1995 sein. Das erste Mal aber, dass er sich literarisch mit Afrika befasst hatte, liegt weit länger zurück. 1974 erschien „Der Sandmaler“. Und jetzt, zwei Jahre nach Mankells Tod, gibt es erstmals eine deutsche Auflage. Mankell schickt ein Ensemble auf die Reise, das deutlicher die Archetypen der Afrika-Touristen nicht nachzeichnen könnte.

 Cover Mankell

Cover Mankell

Foto: Verlag/Zsolnay

Da ist die junge Elisabeth, die gerade Abitur gemacht hat und nun nach ihrer Berufung sucht. Naiv ist sie, außer der schwedischen Kleinstadt hat sie nicht viel von der Welt gesehen. Mit ihr reist der selbstsichere Stefan. Vergnügungs- und trinksüchtig, von Beginn der zweiwöchigen Reise an auf ein Abenteuer mit einem schwarzen Mädchen aus. Ein Unsymphat wie er in Mankells Buche steht. „Eine Negerfotze mit allem Drum und Dran, in einer Novembernacht.“ Und da ist Sven, der Lehrer – der Aufgeklärte. Er kennt das Land, kennt den Neokolonialismus und seine Folgen. Geduldig erklärt er, immer und immer wieder. Zwei Wochen bleiben sie in der namenlosen Stadt in dem namenlosen afrikanischen Land. Mankell braucht wohl keinen Namen und keine Festlegung, teilen doch so viele Staaten auf dem Kontinent das gleiche Schicksal.

Formal sind viele seit den 1960er Jahren des 20. Jahrhunderts von der Herrrschaft der Kolonialmächte befreit. Doch die Unterdrückung der Bevölkerung geht weiter, lediglich die Herren sind jetzt andere: Emporgekommene Eliten, Touristen aus dem Westen. Die neue alte Machtverteilung zeigt sich beim Fußballspiel: „Und in diesem Moment kam der Präsident. (…) Die Menschen (…) applaudierten, aber der Präsident und seine Frau nickten vor allem den Touristen zu.“

Mankells Afrika-Erstling ist nicht subtil. „Der Sandmaler“ ist politisch, das Sympathiebarometer schlägt in Richtung der afrikanischen Bevölkerung aus.

Das Buch ist ein Panoptikum des neokolonialistischen Afrikas, ein stellenweise resigniert wirkendes „So ist es eben“. Wer bisher nur Kurt Wallander kannte, dem sei „Der Sandmaler“ empfohlen. Als gelungenen Einstieg in den anderen Teil von Mankells Werk: den nämlich, der das ferne Afrika ein bisschen näher bringt.

Henning Mankell: Der Sandmaler, Aus dem Schwedischen von Verena Reichel, 156 Seiten, Zsolnay, 20 Euro

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