Literatur gleitet übers Wasser

Die Mosel als länderverbindender Fluss ist jetzt zum Schauplatz eines literarischen Blicks über Grenzen geworden. QuattroPole Stadtschreiberin Frauke Birtsch hatte zu einer Schiffsfahrt ab Schweich mit Lesung von Autoren der Großregion geladen. Rund hundert Gäste erlebten eine einzigartige Verbindung von Literatur und Natur.

Schweich. "Auf Postschiffen ist ein herrlich Leben". Diese historischen Worte von Achim von Arnim, zitiert von QuattroPole Stadtschreiberin Frauke Birtsch, sind wieder wahr geworden: Bei "Alles im Fluss", einer von ihr initiierten, gemeinsam von Katholischer Akademie, Volkshochschule und dem Verein Stadtschreiber Trier sowie dem Gollenstein Verlag Merzig veranstalteten literarischen Schiffsfahrt auf dem ehemalige Postschiff Telegraaf IV in Schweich.

Symbolische uns inhaltliche Bedeutung des Wassers



Dort sitzen hundert Menschen in behaglicher Wärme eines Bollerofens, genießen Kaffee, Kuchen und angeregte Gespräche. Die Motoren brummen, das Schiff legt Richtung Mehring ab, dabei wird es ruhig an Deck. Eine Weile sind nur noch das von unten glucksende Wasser des Stroms und aufs Dach prasselnder Regen zu hören. Einstimmung für das, was folgt: Literatur, in der Wasser nicht nur inhaltliche, sondern auch symbolische Bedeutung hat.

Ihre Autoren, Roger Bichelberger, Roger Manderscheid, Alfred Gulden und Frauke Birtsch kommen aus Frankreich, Luxemburg und Deutschland, dem durch die Mosel verbundenen Herz der Großregion. Der Blick über Grenzen ist ihr Thema. In Frauke Birtschs Erzählung "Der Fisch" ist es die zwischen Innen- und Außenwelt. In einer Erinnerung an ein dramatisches Kindheitsereignis wird ein seelischer Konflikt in Bildern aus der Natur gespiegelt, ein Fisch spielt die zentrale Rolle. Unwillkürlich schaut man beim Zuhören aus dem Fenster aufs glitzernde Wasser, der Fisch scheint nahe.

Ähnlich vom Blick auf die vorbeigleitende Natur intensiviert wird die Aufnahme der Lyrik von Alfred Gulden, besonders seiner Dichtung aus dem Band "Atem". Da geht es um Seelenzustände, die in ihrer Übersetzung als Versinken und Ertrinken oft bedrohlich wirken. Trotz blühender Frühlingslandschaft am Ufer erscheint das Wasser des Flusses plötzlich ebenso. Ganz anders bei Roger Bichelbergers in Französisch und Deutsch gelesenem Texten aus "Das Mädchen mit dem goldenen Stern". Zur ergreifenden Geschichte der Freundschaft eines deutschen Deserteurs im Zweiten Weltkrieg und eines jüdischen Mädchens vermittelt das Dahingleiten auf dem Fluss meditative Ruhe, die Kopf und Gefühl öffnet.

Spannende Texte, besondere Atmosphäre



Die Sonne kommt heraus, passend zum verschmitzt humorigen Schluss der Lesung mit "Herkules Kasch", dem neuesten Roman von Roger Manderscheid. Da der Autor schwer erkrankt ist, stellt Frauke Birtsch die Geschichte um eine Identitätssuche vor, deren Besonderheit ist, dass sie von Manderscheid selbst unter Wahrung luxemburgischer Charakteristika ins Deutsche übertragen wurde.

Die Besucher spenden viel Applaus und loben die Veranstaltung als gelungene Verbindung von spannenden Texten und besonderer Atmosphäre.

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