Rezension Kein Platz für Fremde

Fremde sind den Bürgern von Guldenberg suspekt. In der fiktiven ostdeutschen Kleinstadt wollen die Leute lieber unter sich bleiben. Doch weil sie ein unbewohntes Seglerheim besitzen, werden jugendliche Migranten aus Syrien und Afghanistan dort  einquartiert.

Literaturkolumne Aufgeschlagen - neue Bücher Christoph Hein, Guldenberg
Foto: Verlag Suhrkamp

Schon deren pure Anwesenheit löst Unbehagen und Argwohn aus. Es dauert nicht lange, bis Gerüchte von Straftaten die Runde machen und schließlich Steine fliegen.

Christoph Hein beleuchtet in seinem Roman „Guldenberg“ eine Gesellschaft, die Neuankömmlinge überwiegend als Störung des örtlichen Friedens wahrnimmt. Da sind der wohlwollende, aber unter öffentlichem Druck hilflose Bürgermeister, den allzu viel Mitgefühl für die Flüchtlinge die Wiederwahl kosten kann, der stramm konservative Vertreter des Pfarrgemeinderats mit anti-islamischen Ressentiments,  ein mit der Politik kungelnder Fabrikant, ein karrieregeiler Polizist und daneben die ehrenamtlich engagierten Betreuerinnen der Migranten. Sie alle geraten in diesem Gesellschaftsportrait in einen Strudel aus Gerüchten, Verdächtigungen, übler Nachrede und schließlich Gewalt. Die Haltungen dieser Figuren sind altbekannt, teils klischeehaft, was nicht heißt, dass Hein, der oft gerühmte Chronist der DDR-Gesellschaft, für die geschilderten Umstände nicht auf reale Vorlagen zurückgreift. Dennoch lässt dessen deutlich wahrnehmbare Absicht, Fremdenfeindlichkeit zu entlarven und anzuprangern,  die Figuren etwas hölzern wirken.

Fazit: Aktuell, spannend erzählt, aber in zu deutlichen Schwarz-Weiß-Kontrasten. Hein zoomt sich in bewährt unaufgeregter Sprache durch die Gesellschaft einer Kleinstadt, in der die Ankunft jugendlicher Migranten allzu bekannte Feindseligkeiten heraufbeschwört. Das Buch ist ein Plädoyer für mehr Menschlichkeit und Vorurteilsfreiheit.
Anne Heucher

Christoph Hein, Guldenberg, Roman, Suhrkamp Verlag Berlin 2021, 286 Seiten, 23 Euro.

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