Luxemburg Vom Schönheitswahn und Elend

Luxemburg · Zwei Ausstellungen in Luxemburg nehmen die Gegenwart kritisch in den Blick.

„Grandma Ruby And Me“ von LaToya Ruby Frazier: Eine eindrucksvolle Ausstellung mit Werken der amerikanischen Fotografin ist im Mudam zu sehen.

„Grandma Ruby And Me“ von LaToya Ruby Frazier: Eine eindrucksvolle Ausstellung mit Werken der amerikanischen Fotografin ist im Mudam zu sehen.

Foto: LaToya Ruby Frazier

Zwei eindrucksvolle, hochaktuelle Ausstellungen mit dennoch völlig entgegengesetzten Themen zeigen zum Europäischen Monat der Fotografie zwei Luxemburger Museen. Um das Luxusproblem der Selbstoptimierung des eigenen Körpers geht es im Musée National d`Histoire et d`Art (MNHA), ums Abgleiten ins Prekariat im Mudam.

MNHA

„Schöner als die Natur erlaubt“, titelte unlängst die Wochenzeitschrift „Die Zeit“ über den nicht selten zwanghaften Schönheitswahn dieser Tage, dem nicht nur Frauen frönen, sondern der sich inzwischen auch zu einem boomenden gigantischen Markt entwickelt hat: vom Fitnessangebot über Anti-Aging-Produkte bis zu Botox-Partys und Schönheitschirurgie. Mal ehrlich: Schön sein will jeder, und am liebsten so schön und so lange wie möglich. Und vielleicht gehört, wie unsere Großmütter seufzten, zur Schönheit auch ein wenig Leiden. Aber Schönheit als massenmediales Marktprodukt: da sind schon ein paar Nachfragen erlaubt. Die stellt ebenso unerbittlich wie ästhetisch reizvoll die Foto-Schau im MNHA,  die mehrere junge internationale Fotografen versammelt. Schönheit, erfährt der Betrachter, ist eine zeitgeistig und kulturell abhängige Fiktion, ihre Folgen hingegen erschreckend realistisch. So wie die menschliche Barbie-Puppe der Britin Juno Calypso, die in ihrem einsamen Narzissmus ihren makellosen Körper unendlich spiegelt, Massage-Masken aufträgt oder einem Fötus gleich sich im herzförmigen Pool ihrer rosa Seifenopernwelt kuschelt. Die gepflegte vermeintlich emotionale Schönheit der bürgerlichen Familie entlarvt die Polin Weronika Gesicka als aufgesetzte Maskerade. Eine geradezu radikale Vorstellung vom Körper der Frau und ihrem gesellschaftlichen Marktwert verbildlicht die Japanerin Izumi Miyazaki mit ihren Frauen. die den Kopf verlieren oder unter die Schere des Friseurs gezwängt werden. Kopf- und gesichtlose Körper platziert die Chilenin Claudia Huidobro, selbst ein ehemaliges Fotomodell, in leeren Räumen. Die Bedeutung weiblicher Schönheit in einer konsumorientierten erotisch mit Sex-Symbolen aufgeladenen Gesellschaft hinterfragt die Britin Maisie Cousins.

Bis 29.9. Di,Mi 10-18 Uhr, Do 10-20 Uhr (ab 17 Uhr freier Eintritt) ,Fr-So 10-18 Uhr,www.mnha.lu

Mudam

In einen visuellen Denkraum ganz anderer Art führt die Ausstellung im Mudam. Dort geht es in zwei Werkgruppen der amerikanischen Fotografin LaToya Ruby Frazier um den Niedergang der einstmals wohlhabenden amerikanischen Stahlstadt Braddock (bei Pittsburgh). Eine weitere handelt vom aufgelassenen Steinkohlerevier Borinage bei Mons in Belgien und das Leben der ins Prekariat abgesunkenen Bergarbeiter dort, von denen zahlreiche Migranten sind. Die afro-amerikanische Professorin für  Fotografie, die aus einer Arbeiterfamilie in Braddock stammt, zählt zu den wichtigsten amerikanischen Fotokünstlern dieser Zeit. Was sie an Arbeitslosigkeit und Marginalisierung an Verfall und Verelendung gerade der schwarzen Bevölkerung in ihren Schwarz-Weiß-Fotos ins Bild setzt, ist allerdings mehr als Lokalgeschichte. „Braddock ist überall“., sagt die Fotografin, ebenso wie das Elend in Borinage Sinnbild für weltweite Verhältnisse ist. „Untertage zu arbeiten ist wie zum Tode verurteilt zu sein“, erklärt ein Bergmann in den Texten, die den belgischen Fotos als O-Töne der Abgebildeten beigefügt sind. Gleichwohl ist dieser Lebenskampf nicht nur von Elend und Hoffnungslosigkeit geprägt. Fraziers Fotos sind auch Bilder vom Willen zu überleben, vom Zusammenhalt der Frauen, hier repräsentiert durch drei Generationen aus Fraziers Familie, der Fotografin, ihrer Mutter und Großmutter. Fraziers tief berührende und von großer menschlicher Empathie geprägte Fotos rufen einmal mehr auf zum Widerstand gegen Ausbeutung, Diskriminierung und Rassismus und eine Politik, die längst die Menschen vergessen hat, denen sie verantwortlich ist.

Beide Ausstellungen sollte man keinesfalls versäumen.

Bis 22 .9. Öffnungszeiten Mo, Do-So  10-18 Uhr, Mi 10-21 Uhr, Feiertage 10-18 Uhr,www.mudam.lu

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