Lydia Bunk inszeniert den Schwank "Pension Schöller" am Theater Trier - Premiere an diesem Freitag

Trier · Es gibt auch noch richtiges Theater im falschen. Nicht hinter den Kulissen. Sondern auf der Bühne. Für Freitag, 17. Juni, lädt die Regisseurin Lydia Bunk in die "Pension Schöller" ein. Der Schwank von Wilhelm Jacoby und Carl Laufs gehört seit seiner Berliner Uraufführung 1890 zu den komödiantischen Dauerbrennern.

 Gina Haller und Juliane Lang (von links) spielen die Schwestern Franziska und Ida. TV-Foto: Friedemann Vetter

Gina Haller und Juliane Lang (von links) spielen die Schwestern Franziska und Ida. TV-Foto: Friedemann Vetter

Foto: Friedemann Vetter (ClickMe)

Trier. "Eine Posse ist ein Bühnenstück, das auf Verwechslungen, ulkigen Zufällen und unwahrscheinlichen Übertreibungen aufgebaut ist und durch derbe Komik Lachen erzeugen soll." So lautet die Definition jener dramatischen Gattung, bei der der Tiefgang gering und die Schenkelklopferquote hoch ist - oder zumindest sein soll. Und die man eher auf Volkstheatern à la Ohnsorg oder Millowitsch verortet.

Doch halt: Getreu dem Spruch, demzufolge es keine kleinen Rollen, sondern nur kleine Schauspieler gibt, kann man auch eine Farce, einen Schwank, eine Posse oder Klamotte, wie auch immer, mit dem gebührenden Ernst behandeln und herausarbeiten, was spätestens seit Shakespeare Allgemeingut ist: dass nämlich hinter jeder komischen Figur die Tragödie lauert, hinter jedem Lacher das Bedauern über die (oft eigene) Unvollkommenheit aufblitzt. Und so gehen Lächerlichkeit auf der einen und verletzte Würde auf der anderen Seite Hand in Hand. Was dann, bei genauerer Betrachtung, wieder gar nicht komisch ist.

Hauptsache jedoch, der Zuschauer hat seinen Spaß. Das vor allem wünscht sich Lydia Bunk, die den Uralt-Schwank "Pension Schöller" auf die Trierer Bühne stellt. Die abstruse Handlung in zwei Sätzen: Ein Provinzler möchte gegen eine großzügige finanzielle Unterstützung von seinem Neffen durch eine großstädtische Irrenanstalt geführt werden. In Ermangelung einer geeigneten Klapsmühle bringt der Neffe den Onkel in die "Pension Schöller", in der ziemlich exzentrische Typen - Künstler, Kiffer, Kriegsversehrte - wohnen. Dummerweise, und das ist der dritte Satz, tauchen diese Menschen kurz darauf beim Onkel auf dessen Landgut auf, um die Versprechen einzufordern, die er den vermeintlich Irren in der Gewissheit, diese niemals wiederzusehen, gegeben hat.
Wenn die Berliner Regisseurin Bunk über dieses Drama spricht, gerät sie regelrecht ins Schwärmen: "Die unterschiedlichen Charaktere sind extrem überzeichnet, was für Komik und Konflikte sorgt. Und das vielschichtige, sehr begabte Trierer Ensemble kann diese Figuren wunderbar mit Leben füllen. Die Arbeit hat uns allen viel Spaß gemacht."Handwerklich perfekt

Gerade angesichts der Querelen rund ums Haus, zu denen sich die Regisseurin als Gast natürlich nicht äußern möchte, scheint die Truppe, so Bunks Eindruck, besonders fest zusammenzustehen, um den Zuschauern zu beweisen, dass am Augustinerhof auch noch richtiges Theater mit handwerklich perfekter Schauspielkunst geboten wird.
Bunk hat das Stück, das - inklusive diverser Fernsehaufzeichnungen - neunmal verfilmt wurde, aus dem Uraufführungsjahr 1890 ins Berlin der 1920er Jahre versetzt. Einer ihrer Ansatzpunkte bei der Regiearbeit war "diese Gier nach Großstadt, nach dem verrückten Leben in einer extremen Zeit. Ein Schmerz ist gerade vorbei, der nächste steht schon vor der Tür: Aber in der kurzen Zeit dazwischen wollen wir richtig auf die Pauke hauen". Im Drang zur Selbstverwirklichung der Pensionsgäste sieht die Berlinerin Parallelen zur aktuellen, immer mehr ausufernden Selfie-Manie: "Wir alle sind heutzutage ständig dabei, uns zu vermarkten - auf Facebook, auf Twitter" - nicht zuletzt, um sich der eigenen Bedeutung und Wichtigkeit zu versichern. Das treibe auch die Figuren des Stückes an, weil ihnen dort, wo die Grenzen zwischen "normal" und "verrückt" immer diffuser werden, jeder Halt, jede Gewissheit verloren gehe.

Für die Atmosphäre ihrer Inszenierung hat Bunk sich von stilbildenden (und kurz darauf als "entartet" verfemten) Malern wie George Grosz oder Otto Dix, aber auch der "Tänzerin des Lasters", Anita Berber, beeinflussen lassen. Der schroffe Strich der Maler, die brutale Exaktheit ihrer Menschenporträts habe in der Inszenierung ihren Niederschlag in karikaturistischen Vergröberungen gefunden, erläutert sie.
Die meisten Schwänke aus dem vorvorigen Jahrhundert liegen längst unter einer dicken Staubschicht begraben. "Pension Schöller" dagegen "hat eine Zeitlosigkeit, die mir sehr gefällt. Es ist ein starker Text, der funktioniert - und ein großartiges Ensemble hat ihn so umgesetzt, dass es ein riesiger Zuschauererfolg wird", beschwört die Regisseurin.
Premiere ist am Freitag, 17. Juni, um 19.30 Uhr im Großen Haus. Weitere Aufführungen: 25. Juni, 5., 6., 9., 10. und 17. Juli, Karten: 0651/718-1818.Extra

Lydia Bunk, 1970 in Berlin geboren, arbeitete nach dem Studium als Regieassistentin unter anderem bei Thomas Langhoff, Peter Zadek, Stefan Bachmann, Christoph Marthaler und Frank Castorf. An dessen Volksbühne gab sie 2000 ihr Regiedebüt mit "Engel der Tankstelle" des britischen Autors Edward Thomas. Sie arbeitete unter anderem an den Theatern in Aachen, Schwerin und Kiel. 2006 und 2007 nahm sie als erster europäischer Gast am Theaterfestival Sharjah in den Vereinigten Arabischen Emiraten teil. In der Spielzeit 2012/ 2013 war sie künstlerische Leiterin am Teater Momentum in Odense. Außerdem lehrt sie sie als Gastdozentin für Regie und Schauspiel an der Hochschule für Schauspielkunst "Ernst Busch" Berlin. Mit "Pension Schöller" gibt sie ihr Debüt am Trierer Theater. no

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