Lyrik versus Dramatik

Trier · Experimentierfreude oder kommerzielle Kunst? Beim ersten Regieduell am Theater Trier sind Tanztheaterchef Sven Grützmacher und der freie Tanzkünstler Bernard Baumgarten aus Luxemburg gegeneinander angetreten. Das Ergebnis: unentschieden.

 Kurzgeschichten, tänzerisch erzählt: Trierer Ensemblemitglieder zeigen einen Ausschnitt aus Sven Grützmachers „Dance around the world“. TV-Foto: Mechthild Schneiders

Kurzgeschichten, tänzerisch erzählt: Trierer Ensemblemitglieder zeigen einen Ausschnitt aus Sven Grützmachers „Dance around the world“. TV-Foto: Mechthild Schneiders

Trier. Peter Larsen reißt die Arme von Sven Grützmacher und Bernard Baumgarten nach oben. "Beide sind heute Sieger", kommentiert der Konzertdramaturg das Ergebnis des ersten Regieduells im Theater Trier. Die unterschiedliche Art der Choreographen, an ein Stück heranzugehen, habe ihren Platz in der "großen Welt der Tanzkultur".
So erzählt Grützmachers Stück "Dance around the world" Kurzgeschichten auf unterschiedlichen Plätzen der Erde - ausschnittweise vom Tanzensemble live performt. Während der Trie rer tagelang passende Musik für sein Chagall-Projekt (Premiere am 7. April) auswählt, lässt Baumgarten neu komponieren oder mixt Sounds zusammen.
Baumgarten, Direktor des Zentrums der freien Tanzkünstler Trois C-L und Leiter des Danz-Festivals Lëtzebuerg, war nie in einem festen Haus. Frei zu arbeiten sei spannender, doch sei er zugleich auch Geschäftsmann. Duellpartner Grützmacher hingegen hat nie frei gearbeitet. "Es gibt Stücke, Themen, an denen ich gerne experimenteller arbeiten möchte." Das Problem: Er müsse Erwartungen der Stammkundschaft des Hauses erfüllen. "Da merke ich, ich stoße auf eine Grenze." Auch Baumgartens Experimentierfreude sind Grenzen gesetzt. Eine aufwendige Produktion wie etwa "Mischa … der Fall" an vielen Spielstätten sei aus Kostengründen nicht wiederholbar. Deshalb tourt eine Videoinstallation, aus der die rund 50 Gäste in Trier einen Ausschnitt sehen.
Während Grützmacher sich von der Musik inspirieren lässt, ergründet Baumgarten zuerst, was hinter der Geschichte steckt. "Beim Stück ‚Superhero‘ (10., 12., 14., 16. Februar, Mudam Luxemburg) habe ich mich in die Psychologie gestürzt", sagt er. "Ich versuchte, Themen leicht anzugehen - ich schaffe es nicht." Mit dem Resultat sei er jedoch "sehr zufrieden. Ich will nichts hineinwerfen, und das Publikum konsumiert nur." "Lyrik" nennt Larsen Baumgartens Art der Regie, "Dramatik" die von Grützmacher.
"Die Grundidee für die neue Reihe ist, dass wir Zuschauer mit unterschiedlichen Stilen, verschiedenen Arbeitsweisen konfrontieren möchten", erklärt Chefdramaturg Peter Oppermann. "Ziel ist es, dass die Gäste toleranter auf Inszenierungsarbeiten schauen." War die erste Runde noch sehr theoretisch, sei künftig geplant, live an Szenen zu arbeiten: ein Mix aus Information und Unterhaltung. Das nächste Regieduell zum Musiktheater ist am 3. Juni, 11.15 Uhr. mehi

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