Männer!

Einen "Liederabend" ganz besonderer Art hat das Trierer Theater seit dem Wochenende im Repertoire: Franz Wittenbrinks musikalische Sammlung zum Thema "Männer", von Jürgen Lorenzen zu einer Art Revue aufgepeppt, kam beim Publikum glänzend an. Ein Programm mit Kult-Potenzial.

 Im Spind hängt des Mannes wahrer Himmel. (v.l.) Helmut Leiendecker, Paul Steinbach, Manfred Paul Hänig, Tim Stöneberg, Jan Schuba, Michael Ophelders. Foto: Theater

Im Spind hängt des Mannes wahrer Himmel. (v.l.) Helmut Leiendecker, Paul Steinbach, Manfred Paul Hänig, Tim Stöneberg, Jan Schuba, Michael Ophelders. Foto: Theater

Trier. Schon der Anfang ist programmatisch: Don Giovanni, Mozarts Oper über den Muster-Macho der Literatur- und Musikgeschichte, liefert, intoniert aus rauen Männerkehlen, die Ouvertüre zu diesem bemerkenswerten "Männer"-Abend.

Oh je, was für Mannsbilder kristallisieren sich da heraus? Der Softie, der so gern ein "Wild Thing" wäre, der Hooligan, der insgeheim Zwiegespräche mit seiner "lieben Mutter" hält, das Mamasöhnchen, das so gerne die Herzen der stolzesten Frau'n bräche, wenn sie ihn denn ließen, der Latin Lover, der was von "Sex Machine" stöhnt, in Wirklichkeit aber seiner Geliebten gerne ein "You are so beautiful" ins Ohr cockern würde.

Kein Wunder, dass sie alle in der Selbsthilfegruppe gelandet sind, die ihnen im schützenden Biotop einer Autowerkstatt Zuflucht bietet. Freilich doktern sie weniger an der einzigen Karosse herum, die sich dorthin verirrt hat, als an den eigenen verunsicherten Seelen.

Die Frage, wie denn Männer nun sind, beantwortet Regisseur Jürgen Lorenzen mit einem entschiedenen: Jedenfalls anders, als sie zu scheinen versuchen. Aus diesem Kontrast lassen sich jede Mange unterhaltsame Funken schlagen.

Virtuoses Spiel mit Klischees



Lorenzen ist ein Virtuose des Trivialen. Er beherrscht die rare Kunst, einfache Pointen so geschmackssicher, präzise und zündend in Szene zu setzen, dass man die Klischees, mit denen er arbeitet, zwar registriert, aber nicht als störend empfindet. Das hat was mit Ironie und Brechung zu tun, und mit dem gekonnten Nutzen der Fallhöhe.

Wenn Helmut Leiendecker "When a man loves a woman" auf Trierer Platt singt, wenn Heintjes "Mama" und Queens "We will rock you" zum musikalischen Amalgam verschmelzen, wenn Hermann Löns' "Männertreu" als aggressive Anmache rüberkommt oder Gloria Gaynors "I will survive" als atemberaubende Transen-Nummer, dann ist das einfach saukomisch und braucht gar keinen tieferen Sinn. Das funktioniert allerdings nur, wenn die Musik bei der szenischen Komik mitzieht.

Joachim Mayer-Ullmann hat da grandiose Arbeit geleistet. Nicht nur, weil er von Hardrock über Soul bis Arie das komplette Stimmungs-Spektrum allein aus seinem Piano hervorzaubern muss. Sondern auch, weil er aus seiner Schauspieler-Truppe ein mehr als respektables Maß an sängerischer Qualität herausholt.

Und gerade die Musik entdeckt immer wieder Neues, holt Verborgenes aus den Lieder-Schätzen heraus. Wer hätte geahnt, dass sich hinter Rauhbein Frank Zander ein Poet verbirgt, dass "Es gibt kein Bier auf Hawaii" als Kunstlied durchginge, dass Maffays "Und es war Sommer" keine Schnulze sein muss?

Lorenzen und Mayer-Ullmann haben den Mann als hoffnungslosen Romantiker entdeckt. Er träumt mit Götz Alsmann von kleinen Bären mit großen Ohren oder gerät bei Alexandras "Mein Freund der Baum" ins Flennen.

Aber wehe, eine Frau merkt's. Dann muss er gleich den "Hoppla, jetzt komm ich"-Aggressivo herauskehren, um sein Selbstbild nicht zu gefährden. Das sind Momente, da wirft der "Männer-Abend" unversehens ein Blitzlicht auf die Realität.

Unterm Strich passt alles. Peter Müllers einfach-plausibles Szenenbild, Carola Vollaths ironische Kostüme, Susanne Wessels eingängige Choreographie.

Und natürlich die Akteure: Jan Schuba, der die personifizierte Verklemmung spielt, gleichzeitig aber stimmlich das Funktionieren auch heikelster Passagen garantiert. Helmut Leiendecker als sympathischer Alt-Rocker, der nebenher zeigt, dass er noch die alten Schlagzeuger-Tricks beherrscht. Jens Koch als wuchtige Greta-Garbo-Travestie, Michael Ophelders als saxophon-spielender Italo-Womanizer, Paul Steinbach, der Hooligan mit der sensiblen Seele, sein Gegenpart Tim Olrik Stöneberg, der babyhütende Softie mit den E-Gitarren-Fantasien, nicht zu vergessen der leise, weise alte Professor Manfred Paul Hänig.

Eine Klasse-Truppe, die das Trierer Theater da aufbietet. Und natürlich die Chefin Barbara Ullmann, erst burschikos mit rotem Bubikopf und schließlich als Rache-Engel aus Don Giovanni, der mit der Bass-Arie (!) des Komturs die Männer-Sippschaft in den Orkus donnert.

Ach so, eh ich's vergesse: Am ganzen Abend wird (fast) kein Wort geredet. Und man vermisst es kein bisschen.

UMfrage

Sebastian Hofmann, Trier: "Sehr, sehr witzig. Selten so etwas Unterhaltsames im Theater gesehen. Super gemacht. Genial fand ich den Einbau von Don Giovanni am Ende." Klaus-Dieter Weides, Niederstedem: "Absolut kurzweiliges Theaterstück. So schnell war für mich noch kein Theaterabend vorüber. Kein bisschen Langeweile. Sehr schön." ´Markus Steffen, Trier: "Bei den Liedern gab es jedes Mal einen Aha-Effekt. Alle habe ich wiedererkannt. Das Highlight war das Rhythmusstück vor der Pause." Tina Ackermann, Trier: "Eine Persiflage auf die Männer und ihr liebstes Spielzeug, die wirklich Spaß gemacht hat. Genial der trommelnde Helmut Leiendecker." TV-Umfrage: Ludwig Hoff

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