Märchenhafte Wahrheiten

PRÜM. Perfekte Situationskomik, skurrile Gestalten, bestechender Inhalt. 500 Besucher erlebten am Donnerstagabend die Münchner Lach- und Schießgesellschaft in Prüm. Im Gepäck des vierköpfigen Ensembles: eine fesselnde Zeitreise in die Märchenwelt "Jenseits von Oz".

Der im Jahr 1900 von L. Frank Baum geschriebene Roman "Der Zauberer von Oz" ist eines der berühmtesten amerikanischen Kinderbücher. Inzwischen ist das Werk als hintergründiger Kulturexport längst um die ganze Weltgegangen und hat damit nicht nur die Aktivisten der Münchner Lach- und Schießgesellschaft erreicht; die skurrile Fassung ist nun sogar bis nach Prüm vorgedrungen und - mit mächtigem Applaus bedacht - als überaus gelungen befunden worden. Auf Einladung des Geschichtsvereins Prümer Land zauberten Sonja Kling, Ecco Meineke, Michael Morgenstern und Thomas Wenke ihre zum Teil boshafte Weltanschauung auf die Bühne der Wandalbert-Hauptschule. Die gnadenlose Verballhornung von Gesellschaft und Politik - vom Jugendwahnsinn bis zum "Senioren-Outsourcing" - brachten den Schauspielern immer wieder spontane Lacher ein. Dass diese bisweilen quantitativ etwas mager ausfielen, lag wohl eher an der Dichte der als Gags getarnten Wahr- und Weisheiten, als am Unverständnis des Publikums. Wer möchte sich kabarettistisch-hinterfotzige Bemerkungen dieser Güteklasse auch schon entgehen lassen? Denn allzu deutlich wurde die Aktualisierung des Märchens, wenn von "Oz-Erweiterung" oder "Fernsehshows auf dem gemeinsamem untersten Nenner" die Rede war. In der Tat: Auf ihrer Suche nach einer Antwort auf das wahre Leben und auf dem Weg zum mächtigen Zauberer von Oz trifft die kleine Dorothy (Sonja Kling) allerhand Figuren, die einem Albtraum entsprungen zu sein scheinen. Da taucht nicht nur ein hyperaktiver Entertainer auf, der zwar stets peppig zu unterhalten vermag, dem aber trotzdem nur Stroh im Anzug raschelt.Opportunist und Jammerlappen

Da erscheint ihr auch ein Wirtschaftsboss, der auf nichts Rücksicht nimmt, außer auf den eigenen Profit. Letztendlich begegnet das Mädchen dem löwenhaften Regenten, der sich am Ende ebenfalls nicht nur als Opportunist, sondern auch noch als Jammerlappen erweist. Autor und Regisseur Michael Ehnert geht mit "Jenseits von Oz" neue Wege. Die anspruchsvolle Inszenierung weicht deutlich ab von den Konzeptionen früherer Jahre, als Dieter Hildebrandt und Jochen Busse mit ihren bissigen Pointen die reine Lehre deutschen Polit-Kabaretts verkörperten. Ehnert war sich der Schwere des Genre-Wechsels durchaus bewusst: ",Jenseits von Oz‘ wird sich sehr unterscheiden von dem, was das Publikum bisher unter dem Namen ,Lach- und Schieß‘ zu sehen bekam."Reisebus-Verluste werden kompensiert

Man werde deshalb zum Teil gegen heftige Widerstände anspielen müssen und auch den einen oder anderen Reisebus dauerhaft verlieren. Aber: "Wir werden mit dem neuen Programm auch völlig neue Zuschauer für die Lach- und Schießgesellschaft und für das Kabarett gewinnen können", sagte Ehnert - und behielt Recht. Tatsächlich läuft "Jenseits von Oz" mit großem Erfolg. Anfängliche Befremdlichkeiten verschwinden spätestens dann, wenn die Protagonisten ihren inhaltlichen Bühnenwirbel entfachen. Und das gelang ihnen auch in Prüm, und zwar mit Bravour.

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