Majusebetter!

Trier · Sprachwissenschaftlerin Yvonne Treis befasst sich in Paris mit äthiopischen Sprachen - und als Hobby mit moselfränkischen Dialekten. In ihren beiden Büchern "Ein Kaffee zum Mitholen, bitte" und "Majusebetter! Noch mehr Moselfränkisch zum Mitholen" befasst sie sich mit den Besonderheiten, Merkwürdigkeiten und Liebenswürdigkeiten des moselfränkischen Dialekts.

Trier. St. Aldegund ist ein Moseldorf, wie es typischer nicht sein könnte. Alt und historisch schmiegt es sich zwischen Moselufer und Weinbergshänge. Schmal und ein bisschen einsam liegt es inmitten der Flußlandschaft. In diesem Ort ist die Sprachwissenschaftlerin Yvonne Treis aufgewachsen. Das Elternhaus: 1580 erbaut, inmitten des historischen Ortskerns, ein altes, verwinkeltes Haus. Dort lebte sie zusammen mit ihren Eltern, ihrer jüngeren Schwester und ihren Großeltern. "Es ist ein großes Glück, dass ich zusammen mit den Großeltern aufwachsen konnte. Als Kind habe ich die meiste Zeit bei ihnen in der Küche verbracht", erzählt die 41-jährige heute am Telefon. Sie arbeitet in einem sprachwissenschaftlichen Institut in Paris, das sich speziell afrikanischen Sprachen widmet. Yvonne Treis forscht über zwei äthiopische Sprachen, auf mehrwöchigen Forschungsreisen untersucht sie die Sprachen, sammelt Daten, versucht herauszufinden nach welchen Regeln sie funktionieren. Seit 2011 lebt und arbeitet sie in Paris, am Telefon hat sie schon einen deutlich französischen Akzent. Aber Deutsch ist auch nicht ihre Muttersprache, zumindest nicht Hochdeutsch, wie sie sagt. Das hat sie erst in der Schule gelernt. Platt war die Sprache, die daheim gesprochen wurde, in der großelterlichen Küche, mit dem Vater aus Aldegund und der Mutter aus dem Saarland, die zusammen mit den Kindern Aldegunder Platt von den Großeltern gelernt hat. Kam daher die Faszination für Sprachen? Für den moselfränkischen Dialekt, über den sie mehrere Kolumnen und bereits zwei Bücher geschrieben hat? Nein. Der entwickelte sich per Zufall im Studium in Köln. Dort studierte sie eigentlich Geschichte; Afrikanistik und Sprachwissenschaften waren ihre Nebenfächer, weil sie schön exotisch geklungen haben. In den afrikanischen Sprachen fand sie ein Feld, das noch nicht so stark beackert war; in dem jede Entdeckung eine Entdeckung ist, die vorher noch niemand gemacht hatte. "Sprache ist die Basis für jeden Sozialkontakt, sie gibt den Zugang zu kulturellen Hintergründen. Die Methoden, die ich in Äthiopien verwende, kann ich natürlich auch auf meine eigene Sprache anwenden", erklärt Treis. Das hat Vor- und Nachteile: "Zum einen kann ich einfach die Ohren aufsperren und mich selbst befragen, wenn ich etwas aufschnappe, in Äthiopien brauche ich immer einen Übersetzer. Zum anderen kann es aber auch schwierig sein, weil man vieles unbewusst hinnimmt. Man muss sich immer wieder selbst hinterfragen." Außerdem werde auch im Dialekt viel mit dem Hochdeutschen gemischt: "Man spricht im Elternhaus auf einer anderen Ebene des Dialekts als mit den Nachbarn oder den Leuten aus dem Nachbarort." Dialekt war lange Zeit verpönt, gerade erlebt er ein Revival, das die Autorin in zahlreichen Leserbriefen und auf Lesungen spürt: "Alte wie Junge kommen zu den Lesungen, die Leute schicken mir ihre Lieblingswörter, meist sind das Moselfranken in "Diaspora" (in der Verstreutheit), die den Dialekt hören und sich an ihr Zuhause erinnern. Ich glaube, die Leute haben ein bisschen Heimweh, weil die Welt so groß geworden ist." Und es herrscht eine Sensibilität, weil viele merken, dass sie sich ändert und Dinge verloren gehen, wie eben der Dialekt. Ob sie etwas vermisse vom kleinen Dörfchen Aldegund in der großen Weltstadt Paris? "Das Hinausgehen ins Grüne, und dass ich meine Nachbarn kenne. In Paris kenne ich nicht mal die Menschen in meinem eigenen Mietshaus", sagt Treis. Aber am Wochende komme sie ja immer nach Deutschland, zu ihrem Lebensgefährten, der im Saarland wohnt. Platt sprechen sie beide, wenn auch ein unterschiedliches. "Aber das ist egal, Hauptsache man versteht sich." Im Trierischen Volksfreund veröffentlicht Yvonne Treis jeden Donnerstag Kolumnen im Dialekt.Extra

Zusammen mit Josef Marx hat der 77-jährige pensionierte Berufsschullehrer für gestaltende Berufe Bücher über Dialekt geschrieben. Das "Trierer Wörterbuch" und "Milliunnen Leut - mindestens drei. Streifzüge durch die Trierer Mundart" bringen dem Leser den Dialekt von Deutschlands ältester Stadt näher. Sind Sie mit Dialekt aufgewachsen und haben Sie das je als Nachteil empfunden? Horst Schmitt: Ich stamme aus einer Handwerkerfamilie. Mein Vater hatte ein Malergeschäft und ich selbst habe erstmal einen Handwerksberuf erlernt. Auf dem Bau, aber auch Zuhause haben wir immer Mundart gesprochen. Als ich ein Kind war, war das völlig normal. Ich habe da niemals einen Nachteil gemerkt, aber vielleicht auch, weil ich fast zweisprachig aufgewachsen bin. Daheim wurde Platt gesprochen und in der Stadt auf dem ehemaligen Hindenburg-Gymnasium mussten wir alle Hochdeutsch sprechen. Warum war Dialekt lange Zeit so verpönt? Schmitt: Irgendwann war es ein Makel, Mundart zu sprechen. In der Schule wurde man immer korrigiert, wenn man zum Beispiel ‚dat‘ statt ‚das‘ gesagt hat. Die Elterngeneration der 60er und 70er Jahre hat es den Kindern ausgetrieben, Mundart zu sprechen, weil Dialekt auf einmal mit einem minderen sozialen Stand gleichgesetzt wurde. Warum wird Dialekt jetzt wieder beliebter? Weil er ausstirbt oder weil er tatsächlich seinen Teil zur Identität beiträgt? Schmitt: Vielleicht beides. Der Dialekt stirbt zweifellos aus. Die Bevölkerung ist ja auch nicht mehr so wie vor 50 Jahren. Viele sind zugezogen, Studenten kommen für eine gewisse Zeit in die Stadt, es gibt viel mehr Mobilität. Auf der anderen Seite merkt man jetzt, dass der Dialekt eben auch ein Kulturgut ist, das verloren geht. Und der Dialekt hat auch etwas mit der Identität zu tun. Als Beispiel: Vor einem halben Jahr hatten wir ein Klassentreffen des Einschulungsjahrgangs 1947. Die ehemaligen Klassenkameraden sind mittlerweile über die ganze Welt verstreut, mit den unterschiedlichsten Biographien, da gibt es alles: vom Professor bis zum Hilfsarbeiter. Aber bei dem Treffen haben wir alle denselben Dialekt gesprochen. Man kann viel vertrauter im Dialekt sprechen als auf Hochdeutsch. Da springt einfach ein Funke über. Wenn jemand Dialekt spricht, sei das Trierisch, Sächsisch oder Bayerisch, fällt eine Schranke weg. Die Distanz ist auf Hochdeutsch größer, weil die Sprache oft wie abgelesen klingt. Obwohl das Platt, was heute gesprochen wird, nicht mehr dieselbe Mundart ist, die wir früher gesprochen haben. Hochdeutsche Wendungen haben sich in die Sprache geschlichen. In der Kneipe spreche ich eine andere Mundart, als wenn ich jemanden auf der Straße treffe. Die Übergänge sind stufenlos und hängen an dem sozialen Kontext. Es ist immer die Frage, mit wem ich spreche. Die Sprache ändert sich, aber sie lebt eben auch. sbra

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