"Manche Art von Humor kann ich mir nicht erklären"

Trier · Der Kabarettist Matthias Egersdörfer gehört zu den ungewöhnlichsten Typen seiner Zunft. Der rustikale Franke hat die Beschimpfung des Publikums als Stilmittel erfunden. Heute Abend gastiert er in der Trierer Tuchfabrik.

 Schätzt den großen Auftritt vor kleinem Publikum: Matthias Egersdörfer. Foto: Stephan Minx

Schätzt den großen Auftritt vor kleinem Publikum: Matthias Egersdörfer. Foto: Stephan Minx

Trier. Der markante Glatzkopf aus Fürth hat sich längst einen Platz in der ersten Reihe des Kabaretts ergrantelt, durfte gar dabei sein, als vor wenigen Tagen die ZDF-"Anstalt" wieder eröffnet wurde. Sein Name mag noch nicht so bekannt sein, seine cholerischen Anfälle auf der Bühne durchaus.
Den deutschen Kleinkunstpreis bekam der heute 44-Jährige schon im Jahr 2010. Seine Wurzeln hat er in der Slammer-Szene - und von dort stammen auch seine ersten Verbindungen zu Trier. TV-Redakteur Dieter Lintz hat mit ihm gesprochen.
Herr Egersdörfer, Sie klingen am Telefon ausgesprochen nett und umgänglich. Wundert Sie, dass mich das überrascht?
Matthias Egersdörfer: Das bin ich gewöhnt. Gestern habe ich eine Mail von einer Dame bekommen, die schrieb: "Ich habe Sie heute morgen beim Joggen gegrüßt, Sie haben freundlich zurückgegrüßt. Kann das sein, dass Sie privat netter sind als auf der Bühne?"
Und, sind Sie\'s?
Egersdörfer: Klar. Daheim kann man ja nicht die ganze Zeit rumbrüllen. Vielleicht lebe ich auf der Bühne ja auch meine dunkle Seite aus und schreie die ganze Pein der Existenz heraus ...
So unglücklich wirken Sie jetzt auch wieder nicht!
Egersdörfer: Es ist halt eine Rolle, vor allem im Fernsehen. Bei meinen Live-Auftritten gibt es noch ganz andere Charaktere.
Ihr Kollege Georg Schramm hat der Verwechslung von Rolle und Privatperson vorgebeugt, indem er verschiedene Existenzen mit eigenen Namen eingeführt hat ...
Egersdörfer: Hätte ich vielleicht auch machen sollen, aber irgendwie habe ich den richtigen Zeitpunkt verpasst. Und jetzt ist es zu spät.
Sie haben vor acht Jahren in Trier den Comedy Slam gewonnen ...
Egersdörfer: Gewonnen nicht, aber ich war dabei ...
Nein, wir haben im Archiv gewühlt, Sie haben gewonnen.
Egersdörfer: Das muss ich verdrängt haben.
Können Sie sich sonst noch an irgendwas erinnern?
Egersdörfer: Natürlich. Das waren supernette Leute, alles gut organisiert, es gab sogar ein Hotelzimmer, solchen Luxus waren wir nicht gewöhnt. Trier war einer der ersten Comedy-Slams, die es überhaupt in Deutschland gab. Ich habe dann aber irgendwann gemerkt, dass mir diese Form des Künstler-Wettbewerbs mit Publikumsabstimmung nicht so lag.
Aber das haben Sie ja letztlich trotzdem. Bei Kabarett und Comedy geht es ja auch um Einschaltquoten oder Zuschauerzahlen. Und der eine tritt vor 3000 Besuchern in der Arena auf, der andere vor 100 in der Tufa.
Egersdörfer: Das sind allerdings dann schon eher Pop-Veranstaltungen, mit Kabarett hat das wenig zu tun. Winfried Schmickler von den "Mitternachtsspitzen" hat mal gesagt: "Ab mehr als 300 Leuten ist es kein Kabarett mehr." Meine Ambition ist es nicht, Stadien zu füllen.
Aber trotzdem treten Sie wahrscheinlich lieber vor einem vollen als vor einem leeren Saal auf. Fragen Sie sich auch manchmal, woran das liegt, dass die einen die Massen ziehen, obwohl jeder Zuschauer jeden Gag von ihnen auswendig kennt. Und die anderen trotz Originalität nur ein kleines Publikum begeistern?
Egersdörfer: Also manche Art von Humor kann ich mir beim besten Willen nicht erklären. Aber das muss jeder für sich entscheiden. Schaun Sie, es gibt Kinder, die wollen jeden Abend das Dschungelbuch vorgelesen bekommen und freuen sich auch beim zehnten Mal noch, wenn der Mogli gewinnt. Andersrum finden Sie die tollsten, qualitätsvollsten Konzerte oft nicht im großen Saal, sondern im Nebenraum. Und bei uns in Franken brauen die kleinsten Brauereien oft das beste Bier. Das ist halt so.
So ein spektakulärer Auftritt wie vergangene Woche beim Neustart der ZDF-"Anstalt" - bringt das auch eine Art Durchbruch für die Live-Auftritte?
Egersdörfer: Na ja, wir sind am Freitagabend in der Tufa trotzdem nur im kleinen Saal. So automatisch geht das also nicht. Obwohl ich in Bayern gemerkt habe, dass ein Auftritt in "Ottis Schlachthof" einen ganz schön bekanntmachen kann.

Ihre Themen bieten ja für jeden was, von der Überlegenheit der Frau bis zum Verfassungsschutz ...
Egersdörfer: Sie haben Krankheit und Tod vergessen. Bier spielt auch eine gewisse Rolle. Und Klavier spiele ich auch noch!
Mit Gesang?
Egersdörfer: Nein, es wird auch so schon schlimm genug. DiL
Matthias Egersdörfer gastiert heute um 20 Uhr mit seinem Programm "Vom Ding her" in der Trierer Tuchfabrik. Es gibt nur noch wenige Restkarten.

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