Manchmal hilft's: Hirn abschalten!

Macht Gutmenschentum Spaß? Verderben Songs wie "Die World Trade Organization tötet Bauern" oder "Gebrauchtes Uran ist ein Kriegsverbrechen" die Laune? Wie lustig ist eine Veranstaltung, deren Erlös an eine Wohltätigkeitsbewegung geht, die sich an schlimmen Dingen wie Armut, Krieg und Arbeitslosigkeit abarbeitet? Das Ergebnis des Selbstversuchs in diesem Fall: eine geile Party. Die Polit-Punkrocker Anti-Flag aus Pittsburgh üben sich seit 1993 in der Kunst der Generalanklage - auch wenn ihnen mit George W.

 Saitengewitter: Gitarrist Chris Head und Bassist Chris Number Two. TV-Foto: Katharina Cüppers

Saitengewitter: Gitarrist Chris Head und Bassist Chris Number Two. TV-Foto: Katharina Cüppers

Bush der Lieblingsfeind abhanden gekommen ist. Eins der beiden Deutschlandkonzerte in diesem Jahr geben die Amerikaner im Trierer Exhaus - und bewusst haben sie den nur 150 Leute fassenden "Schimmelkeller" gewählt. Hautnaher Fankontakt ist nicht zu vermeiden. Enge, Hitze und Lautstärke sind extrem. Anti-Flag bringen die Gemüter mit brachialem 4/4-Hauruck sofort zum Brodeln. Zwei-Minuten-Dreißig-Attacken knallen geradeaus, präzise, lapidar ins Gewölbe, die Meute grölt mit. Eine Teilabschaltung des Hirns setzt ein. Und die hilft ungemein, die dämlichsten der pubertären Slogans zu ignorieren. Also treiben lassen im Gedränge: Teens schubsen betagte Rastalocken-Träger, die Nietenjacke pogt mit dem Halbnackten. Welle um Welle brandet rempelnd nach vorn, die Trennung zwischen Band und Menge verschwimmt. Nur noch Körper in Bewegung. Punk wirkt - auch im fortgeschrittenen Alter. (Vorgruppe, ordentlich: die Luxemburger Band Versus You)

Ralf H. Jakobs

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