Masse gegen den Massengeschmack

Prosecco trinkt man woanders, und "Schöner Wohnen" war auch noch nicht zu Besuch: Das Exhaus Trier ist nicht chic - und will es auch nicht sein. Dafür bekommt man in Triers umtriebigster Konzertstätte eine Bandbreite an Bands zu hören wie nirgendwo sonst in der Region.

 Mal große und laute Konzerte, mal kleine Shows mit Wohnzimmer-Charme – wie hier mit den Kanadiern Wax Mannequin im Cafe Exakt: Das Exhaus Trier ist mit seinen fünf Bühnen und jährlich rund 300 Bands ein Schwergewicht der Kulturszene. TV-Foto: Hans Krämer

Mal große und laute Konzerte, mal kleine Shows mit Wohnzimmer-Charme – wie hier mit den Kanadiern Wax Mannequin im Cafe Exakt: Das Exhaus Trier ist mit seinen fünf Bühnen und jährlich rund 300 Bands ein Schwergewicht der Kulturszene. TV-Foto: Hans Krämer

Trier. Montagabend in Trier. Viele Restaurants sind dicht, klassischer Ruhetag. Die Touristen sind fort, der Ausgehzwang für die Einheimischen vertagt. Für das Exhaus gilt das heute nicht. "Wenn ihr wollt, spielen wir noch ein bisschen", sagt Ted Leo, amerikanischer Gitarrist und Sänger, der mit seinen Pharmacists das kleine Exil halbwegs füllt. Sein ärmelloses Shirt ist komplett durchgeschwitzt, aber der Abend um 23.30 Uhr noch nicht vorbei. "Wir haben heute nichts mehr vor. Und wir übernachten ja auch hier." Nicht im Hotel oder im schwarzen Nightliner, sondern in den Übernachtungszimmern im ersten Stock. Mehrbettzimmer, die an alte Jugendherbergen erinnern, bevor auch dort die Ansprüche wuchsen. Kein Fernseher, kein Luxus, Konzentration auf das Wesentliche: ein paar Stunden schlafen, bevor es am nächsten Tag weitergeht.

Es gibt verschiedene Veranstalter im Exhaus, etwa das hauseigene Kulturbüro. Das Konzert von Ted Leo organisiert Marius Zell von "Gaffa-Shows". Im Hauptberuf kümmert sich der 24-Jährige um psychisch Kranke. Aber auch in der Trierer Musikszene ist er längst eine feste Größe - als Veranstalter, DJ (unter anderem "Trashique") und zweiter Vorsitzender des Exhauses. Es geht um Leidenschaft, Idealismus, sicher um Spaß und auch darum, die Liveszene in der Region ein bisschen schillernder zu machen. "Wir verdienen nichts damit", sagt Zell. Beim Auftritt von Ted Leo zahlt er ein paar Euro drauf. Aber das ist es ihm wert, wenn die 50 Zuschauer und er einen guten Abend hatten. So läuft's bei fast allen Veranstaltern im Exhaus: Gemacht wird, was gefällt. So weiß Rino Dzur ("Disco Destruction"), dass es für ihn vielleicht ein "teurer Spaß" werden kann, wenn er am 4. Juni die amerikanischen Indie-Experimentalisten Xiu Xiu im Exhaus spielen lässt. Die sind hochgelobt, verspielt, intelligent. Aber wohl auch zu freakig und anspruchsvoll, um die Massen zu locken. Dzur macht's trotzdem.

Die Exhaus-Veranstalter tragen dazu bei, dass man sich in Trier nicht über einen Mangel an Livemusik beschweren kann. "Es gibt kaum eine Stadt in Deutschland, die - gemessen an der Größe - so eine Konzert-Dichte hat wie Trier", sagt Zell.

Mit Masse gegen den Massengeschmack, so könnte man das Motto umreißen. Rund 100 Konzerte gibt es im Jahr, fast immer spielen dann mehrere Bands. Die kleinsten vor einer Handvoll Leute, das größte - das Summerblast-Festival - vor rund 2000 Zuschauern. Es gibt fast nichts, was nicht geht: Punk, Metal, Songwriter, Reggae, Hip Hop, Techno. Und wenn man Exhaus mal was zu lachen haben will, lässt man sich den "Rider" von Stars zuschicken - die Wunschliste eines Künstlermanagements an den Veranstalter. "Wir hatten mal einen von 50 Cent bekommen", erinnert sich Zell. Der US-Rapper hätte bei einem Konzert gerne "150 Hotel-Zimmer" für sich und seine Entourage. Sein Landsmann Ted Leo kann schon mit einem Platz im Mehrbettzimmer gut leben.

EXHAUS TRIER

TV-Fazit: Die meisten Konzerte, die meisten Bühnen: Das Exhaus bietet Masse - aber immer jenseits des Massengeschmacks. Im Programm finden sich immer echte Perlen. Tipps für die nächsten Wochen: Auf der Sommerbühne sollte man auf keinen Fall das kaum zu beschreibende New Yorker Ensemble Hazmat Modine verpassen (17. Juli, Rock'n'Roll, Blues, Balkan-Sounds). Das gilt auch für das Heimspiel von Jupiter Jones (mit Gisbert zu Knyphausen, 7. August). Xiu Xiu (4. Juni, Balkensaal) ist ein Geheimtipp. Größe: Das Cafe Exakt ist schon mit 50 Leuten ordentlich gefüllt. Größer sind der "Schimmelkeller" (kl. Exil, Kapazität: rund 150), der Balkensaal (250), das Exil (500 Zuschauer) und die Sommerbühne. Top-Konzerte: Die Fantastischen Vier haben schon im Exhaus gespielt, als sie noch fast kein Mensch kannte. Auch Sonic Youth oder NOFX spielten einst im Trierer Norden. Adresse: Zurmaiener Straße 114, Trier, www.exhaus.de (AF)

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