Mehr Moll für die Seele: Melancholie, die glücklich macht

Luxemburg · Voll Moll: Das britische Indie-Folk-Trio Daughter packt die oft düsteren Texte von Elena Tonra in langsame, melancholische Songs. Warum der Herbst musikalisch kaum schöner werden kann, zeigte die Band im Luxemburger "Atelier".

Luxemburg. Das Happy End muss leider ausfallen. Die wilde Jugend malt sich die Zukunft in den buntesten Farben. Die vielen Pläne! All die Ziele! Dabei kennt sie längst die triste Wahrheit: Man ist leider tot, bevor man ankommt. Und wer hier noch frei atmen kann, ist ein Glückskind.
Okay. Wenn Sie jetzt nicht mit verklärtem Lächeln und einem Schub frischer Endorphine vor diesen Zeilen sitzen, dann hat das vermutlich zwei Gründe. Der erste: Elena Tonra, Sängerin und Gitarristin von Daughter, hat diese eher freie Refrain-Übersetzung von "Youth" in zugegeben lyrischere Worte gepackt. Und der zweite: Sie steht nicht mit ihrer Band vor Ihnen. Nicht, wie am Sonntag vor den rund 800 Zuschauern im Luxemburger "Atelier". Sanft lächelnd vor der Gänsehaut-Horde, die nicht weiß, ob sie lachen oder weinen soll, klatschen oder schwelgen, mitsingen oder schweigen. Die sich aber - so sieht's jedenfalls aus - sehr, sehr wohl dabei fühlt.
Während des gut anderthalbstündigen Auftritts konnte man live erleben, wie eine kürzlich erschienene Studie finnischer und britischer Musikpsychologen mit Leben erfüllt wird. Die besagt nicht nur, dass traurige Musik glücklich machen kann. Sondern auch, dass die Happy-Melancholiker - von den Forschern "Traurigkeitsgenießer" genannt - tendenziell empathischer sind als ihre Zeitgenossen, die mit dem Soundtrack des Herbsts nun gar nichts anfangen können.
Daughter machen es einem mit der Empathie aber auch herzlich leicht. Elena Tonra sagte mal, dass sie mit dem Musik machen und Texte schreiben begonnen hatte, um das Mobbing in der Schule zu verarbeiten. In Luxemburg präsentiert sie sich als introvertierte, sympathische Frontfrau, die auch ohne große Show oder Gesten das Publikum verzaubert. Das Trio - live mit zusätzlicher Keyboarderin - ist aktuell auf Tour mit dem zweiten Album "Not to Disappear".
Live wird das nie langweilig, auch wenn das Tempo meist gemächlich ist - die Songs sind gut arrangiert, und die Band rockt auch mal, wenn nötig. Die Briten haben eine ganze Menge toller Stücke. Wie "Smother" oder "Doing the right thing" vom neuen Album. Trotzdem sind sicher einige vor allem wegen "Youth" da. Das war gar nicht mal ein riesiger Hit, bleibt aber einer der schönsten Songs der vergangenen Jahre. "Youth, once again", bettelt einer inbrünstig (und natürlich erfolglos) von hinten, als Elena den letzten Song ankündigt, ein zeitloser Wunsch. Vielleicht geht es ihm ja auch gar nicht mal so sehr darum, das Lied noch mal zu hören.

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