Meilen und Merkel

Sie scheint Stammgast in Trier zu werden, die alljährliche Werkschau der deutschen Pressefotografen und Karikaturisten. Nach Berlin, Hamburg, Brüssel und Leipzig macht sie erneut im Kurfürstlichen Palais Station.

 Die Kanzlerin taucht auf. Oder geht sie unter? Manche Fotos eignen sich unabhängig vom Anlass als Symbole. Foto: Christian Charisius

Die Kanzlerin taucht auf. Oder geht sie unter? Manche Fotos eignen sich unabhängig vom Anlass als Symbole. Foto: Christian Charisius

Trier. Was war das für ein Jahr, dieses 2006? Geht es nach Staatssekretär Karl-Heinz Klär, dessen Berliner Landesvertretung von Rheinland-Pfalz den Wettbewerb "Rückblende" organisiert, dann ist das schnell erklärt: "Das Jahr, in dem die Medien verrückt spielten", nennt er es. Und verweist dabei auf das Bild eines toten Schwans, der aus dem Wasser gezogen wird, begleitet von etlichen Kameras. Doch der grassierende Alarmismus und der fraglos vorhandene, quotengeile Hype um Vogelgrippe, Rütli-Schule oder Sexualstraftäter macht nur einen Bruchteil der prämierten Fotos aus. Die wirklichen Könige des Jahres sind eine omnipräsente Bundeskanzlerin und das Deutschland-Fieber auf den Fan-Meilen bei der Fußball-Weltmeisterschaft. 2006, das war Miles and Merkel, sozusagen. Angela auf dem Schiff, unter Fans, im Amt, im Auto, auf der Regierungsbank, im Stadion, mit George W., Münte oder Scheich Nasser. Fast scheint es so, als könnten sich die Fotografen nicht sattsehen an der Wandlung vom hässlichen Entlein zur Staatsfrau. Und Merkel meistert die Herausforderung mit einer bemerkenswerten Professionalität, die sie sogar vorbeidonnernde Tornados ertragen lässt, ohne die Hände auf die Ohren zu legen - schließlich will man der Meute das bei anderer Gelegenheit zu verwendende Motiv einer Politikerin nicht gönnen, die die Ohren vor irgendwas verschließt.Auffällig ist ein hoher Anteil "sozialer Fotografie". Die Verlierer, Demonstrierer, Protestierer liefern einen vielfach abgebildeten Kontrast zur zufriedenen Selbstinszenierung der politischen Klasse. Vielleicht gibt es deshalb auch so wenig unbeschwert-lustige Motive wie das bei der Mainzer Parlaments-Fastnacht entstandene Bild vom "Märchenerzähler" Kurt Beck, der seinen später unterlegenen Herausforderer Christoph Böhr schon rein optisch an den Rand drängt.Fotos wie dieses beziehen ihren Reiz aus der Konfrontation mit dem Wissen des Betrachters, was vor und nach der Aufnahme passiert ist. So wie die Pracht-Hochglanzabbildung von der Laser-Show zur Eröffnung des Berliner Hauptstadt-Bahnhofs, die man im Nachhinein nicht mehr betrachten kann, ohne an den kläglichen Absturz der unbefestigten Zier-Träger wenige Monate später zu denken. Oder die neuen Rundungen des weinprobenden Joschka Fischer, bei denen dem Betrachter die einstigen Bekenntnisse zum asketischen Dauerlauf nicht aus dem Kopf gehen wollen. Dazu gibt es Skurriles wie die Herren Putin und Stoiber im altbairischen Trachtenjanker inmitten folkloristisch gekleideter Kinder. Und sekundenbruchteilgenaue Glücksfälle wie der Schnappschuss von Präsidentengattin Laura Bush mit einer Wespe auf der Nase. Auch wenn die Karikaturen Mühe haben, mit der Qualität der Fotos mitzuhalten: unterm Strich eine starke Ausstellung und die ideale Visitenkarte für das neu gestaltete Treppenhaus im Kurfürstlichen Palais, das ADD-Präsident Josef Peter Mertes verstärkt für Ausstellungen nutzen will. Einen Termin kann er schon buchen: 2008, verspricht der Staatssekretär, werde man mit der Rückblende 2007 wiederkommen. Zu sehen bis 9. September, zu den Öffnungszeiten der ADD.Fotowettbewerb Nicht nur für Profis gibt es Fotowettbewerbe, auch die TV-Leser sind aufgefordert, ihre besten Bilder einzusenden und Preise bis zu 500 Euro zu gewinnen. Bis zum 16. September läuft unser Wettbewerb "Blende 2007". Themen sind "Die Farbe Rot", "Heimat", "Jung und Alt" sowie "Meine Welt" als Sonderthema für Jugendliche. Details zu den Teilnahmebedingungen im Internet unter www.volksfreund.de/blende.

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