Mensch ...

Jetzt haben Sie es endgültig geschafft, sich als blondes Fallbeil des deutschen Fernsehens zu etablieren. Mit Fragen, so messerscharf wie Rasierklingen, haben Sie den ehemaligen Pop-Beauftragten und heutigen Parteichef der SPD dermaßen zur Weißglut gebracht, dass der gute Sigmar Gabriel abging wie sonst nur Bundesliga-Trainer, die man nach ihrer bevorstehenden Entlassung fragt.

So weit, so unterhaltsam. Aber trotzdem: Gehört zu einem Interview nicht auch, dass man zumindest am Rande irgendwie wahrnimmt, was der Gesprächspartner sagt? Und besteht eine kritische Befragung nicht darin, dass man versucht, Argumente des anderen zu widerlegen? Statt seine eigenen Fragen und Einschätzungen mit der Penetranz einer tibetanischen Gebetsmühle zu wiederholen? Die Sache war doch einfach. Sie haben, so weit zu Recht, nach Gabriels Position zu einigen wenigen Verfassungsrechtlern gefragt, die sich kritisch zur SPD-Mitgliederbefragung geäußert haben. Und Gabriel hat, ebenso zu Recht, darauf hingewiesen, dass nach dieser Logik die Entscheidungswege bei CDU und CSU, wo der Vorstand allein entscheide, noch viel problematischer seien. So weit, so gut. Man hätte an dieser Stelle noch weiter diskutieren können, etwa über die grundsätzliche Frage der Gewichtung von Parteien gegenüber dem Gewissen von Abgeordneten. Das wollten Sie aber nicht. Sie wollten Gabriel in die Enge treiben, diesen aus Ihrer Sicht arroganten Pinsel coram publico kleinmachen. Die Sache spielte dabei nicht die allergeringste Rolle. Liebe Frau Slomka, mich nervt diese Staatsanwalts-Attitüde. Kritisch zu sein heißt nicht, den Ankläger zu spielen. Und hinterfragen heißt nicht, dass ein Alpha-Weibchen mit einem Alpha-Männchen darum konkurriert, wer den Größeren hat - den größeren Ego-Faktor, meine ich. Sie können ja nix für Ihre Kollegen, aber kann es nicht sein, dass es vielen längst nicht mehr um irgendeine Sachfrage geht, sondern nur noch darum, Politikern ans Bein zu pinkeln? Verrät Sigmar Gabriel nicht, wer für die SPD Minister werden soll, jammern die Deppen(dorfs) dieser Welt, die arme Parteibasis müsse die Katze im Sack kaufen. Gäbe es die Kabinettsliste schon, dann würden genau die gleichen Nasen in genau den gleichen Interviews mit bedeutungsvoller Miene raunen, die Beute werde skandalöserweise bereits verteilt, bevor man die arme Basis zur Sache befragt habe. Nicht, dass Politiker es an Gründen, sie zu kritisieren, mangeln lassen würden. Aber tun Sie mir einen Gefallen: Machen Sie keinen Selbstzweck draus. Dieter Lintz

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