Mensch… Angela Merkel!

Als gelernte Physikerin können Sie ja sicher ausrechnen, wie lange es dauert, bis ein stabiler Gegenstand ins Rutschen kommt, wenn sich die gerade Fläche, auf der er steht, in eine schiefe Ebene verwandelt.

Das könnte ganz hilfreich sein, wenn Sie die eigene Standfestigkeit kalkulieren wollen. Denn so langsam geraten Sie in eine ganz ordentliche politische Schieflage.

Skurril ist dabei, dass das gar nicht an der Stärke Ihrer Gegner liegt, sondern daran, dass die eigene Basis unter Ihnen langsam Erosions-Erscheinungen zeigt, die denen der Kölner U-Bahn nicht nennenswert nachstehen.

Auf der einen Seite kippen Ihnen die Markt-Ideologen weg, weil Sie nicht bereit sind, die Existenz von Millionen Arbeitnehmern dem freien Spiel der Kräfte zu überlassen.

Auf der anderen Seite bröckeln christdemokratische Arbeiterführer wie Rüttgers, Wulff und Koch, weil Sie partout nicht unkontrolliert Steuermilliarden in Firmenkassen überweisen wollen, mit denen sich die Eigentümer in Übersee gesundstoßen könnten.

Die katholischen Fundis sickern aus der CDU, weil Sie den Papst nicht behandelt haben wie einen Heiligen, und den Christsozialen von jenseits des Weißwurst-Äquators passt eh nicht, dass Sie Ihre Partei ins 21. Jahrhundert führen, wo man in Bayern mental gerade mal das zwanzigste erreicht hat.

Harte Zeiten für jemanden, der noch vor Jahresfrist der erklärte Liebling aller war. Von Everybody's Darling zu Everybody's Depp in weniger als zwölf Monaten. Man reibt sich die Augen, wenn man die einschlägigen Leitartikel liest. Jahrelang wurde gelobt, wie unauffällig und effizient Sie Ihre Arbeit machen, wie geschickt Sie sich aus dem Alltagsgeschäft heraushalten, wie gut Sie auf internationalem Parkett auftreten, wie ruhig Sie das Krisenmanagement bewältigen.

Und nun? Sie machen genau das Gleiche wie vorher, nur die Bewertung hat sich ins Gegenteil verkehrt. Man sehe und höre nichts von Ihnen, Sie trieben sich zu oft auf internationalem Terrain herum, seien konfliktscheu und nähmen die Krise zu gelassen, tönt es von links bis rechts. Prompt sinken Sie in der Beliebtheitsskala.

Ja, was wollen wir denn? Diese lausige Große Koalition haben doch nicht Sie erfunden, sondern die Wähler, die andere Mehrheiten kunstvoll verhindert haben. Mehr als halbwegs professionelles Handling war da doch sowieso nie drin. Und letzteres haben Sie samt Ihrem Adlatus Steinmeier doch allemal nicht schlechter hingekriegt als die Sarkozys und Browns.

Tja, Frau Merkel, ich bin echt gespannt, wie Sie damit zurechtkommen, wenn Ihnen mal ein eisiger Gegenwind um die Nase weht. Als Mädel aus der Uckermark müssten Sie ja mit einer steifen Brise umgehen können.

Dieter Lintz

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