Mensch.... Herr Erdogan!

Das haben Sie ja mal wieder klasse hingekriegt. Ein einziger Wahlkampfauftritt als türkischer Ministerpräsident in Deutschland, und alle Integrationsbemühungen sind um ein paar Jahre zurückgeworfen.

Da gehen Sie mit Ihrem nationalen Geschwafel hierzulande auf Stimmenfang für Ihre eigenen Wahlen, werfen Ihren Anhängern ein paar populistische Brocken hin, und schon jubilieren diejenigen in unserem Land, die nur darauf warten, ihre Vorurteile bestätigt zu bekommen. Wir haben nämlich ebenfalls allerlei Wahlkampfgetümmel, und mit der gleichen Zwietracht, die Sie so gekonnt säen, lässt sich auch hierzulande prächtig Stimmung machen - nur von der anderen Seite.

Türkische Kinder sollten erst Türkisch lernen, bevor sie sich mit Deutsch abmühen, haben Sie in Düsseldorf gesagt. Das ist sicher richtig - für alle, die in Ankara, Istanbul oder Bursa wohnen. Ihren Landsleuten in Berlin, Hamburg oder Konz tun Sie mit solchen Ratschlägen aber sicher keinen Gefallen. Deren Kinder können sich nämlich später in der Grundschule für ihre Türkischkenntnisse wenig kaufen. Und in Kreuzberg muss man sich um die Türken, die kein Türkisch sprechen, sicher weniger Sorgen machen als um die, die kein Deutsch sprechen.

Aber vielleicht ist es ja genau das, was Sie wollen. Je geringer die Schulbildung, desto leichter lassen sich die Schafe bei der reaktionären Herde halten.

Dabei wissen Sie doch genau, dass das Problem eigentlich keines ist. Kein Mensch hat was dagegen, wenn türkische Eltern ihren Kindern die Muttersprache beibringen. Das ergibt sich im Alltag meistens von selbst. Wohingegen es einiges mehr an Mühe macht, mit seinen Kindern an einer Sprache zu arbeiten, die man selbst nicht mit der Muttermilch eingesogen hat. Bei dieser schwierigen Aufgabe könnten Ihre in Deutschland lebenden Landsleute durchaus Ermunterung brauchen. Auch von ihrem Regierungschef.

Skurril ist freilich, dass nun unter meinen Landsleuten wieder diejenigen am lautesten aufschreien, denen sonst jeder Euro für Sprachkurse und Integrationshilfen zu viel ist. Aber das müssten Sie eigentlich gut verstehen. Dieter Lintz

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