Mensch... Ilse Aigner!

Ich dachte immer, so eine Ministerin samt Experten stäben und Ministerialbürokraten wäre stets auf der Höhe des Geschehens. Vor allem in Krisenzeiten.

Aber jetzt wird mir mit jedem Ihrer öffentlichen Auftritte klarer, dass Sie auch nicht mehr wissen als jeder normale Bürger.

Eigentlich habe ich sogar das Gefühl, dass man Ihnen noch viel weniger sagt als uns. Da rasen Sie durch die Lande, eilen von Krisenschauplatz zu Krisenschauplatz, geben Erklärungen ab, erheben Forderungen - und kaum sind Sie weg, kommt heraus, wie es wirklich steht. Und Sie lesen es dann bei Google News.

Wahrscheinlich war es auch aus blankem Unwissen, dass Sie noch bis vor wenigen Tagen für Freiwilligkeit und Selbstkontrolle in Sachen Lebensmittelkontrolle plädiert haben. Wer hätte aber auch ahnen können, dass es mitten in unserer Gesellschaft so etwas wie Profitgier und kriminelle Energie gibt?

Jetzt, nach Ihren jüngsten Erweckungserlebnissen, ist auf einmal Schluss mit dem ewigen Herumaignern. Sie fordern entschiedenes Durchgreifen. Aber das geht wiederum nicht, weil Lebensmittelkontrolle Ländersache ist. Schließlich haben wir Föderalismus, so steht es in der Verfassung. Ist ja auch völlig plausibel, dass jedes Bundesland das individuell für sich regeln muss. Schließlich vertragen die Bürger in Völklingen, Oberhausen oder Bitterfeld aufgrund langjähriger Übung viel mehr Giftstoffe in Luft und Nahrung als die im Schwarzwald oder der Lüneburger Heide. Ergo braucht dort auch weniger kontrolliert zu werden.

Ich fürchte fast, liebe Frau Aigner, da wird nicht viel zu holen sein mit Ihrem Zehn-Punkte-Plan. Und nachher stehen Sie da als zahnloses Hauskätzchen, wo Sie doch im Kabinett eigentlich die bayerische Löwin geben sollten. Schon werden überall die Messer gewetzt, schließlich ist Superwahljahr, und da stürzt sich die Opposition auf jede Gelegenheit, einer Ministerin am Zeug zu flicken.

Sie haben nur eine Chance: Sie müssen einfach so lange durchhalten, bis die Verbraucher die Sache vergessen haben. So wie BSE im Rind, Glykol im Wein, Nitrosamine im Bier, Maden im Fisch oder Gammelfleisch. Keine Angst: Das Aufregungs-Verfallsdatum kommt hierzulande meistens schnell. Dieter Lintz

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